Bauhaus-Stadt Dessau, August 2007: Österreicherviertel.

Foto: Blackbox Films/Robert Angst

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(20.9.):


"Fußfesselspiele ohne Erotik"

Foto: Blackbox Films/Robert Angst
Interviews mit dem öffentlichkeitsscheuen Starregisseur Leopold "Leopold" Lummerstorfer sind rar. SdVr hat den schmächtigen Oberösterreicher trotzdem exklusiv vor das Mikrophon bekommen.

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SdVr: Herr Lummerstorfer, danke fürs Kommen. Lummerstorfer: Bitte, gern. SdVr: Zu Beginn eine einfache Frage, wie ist ihr neues Projekt entstanden? Lummerstorfer: Nach meinem letzten Spiel film im Jahre 2001 haben sich Martin Puntigam und ich daran gemacht ein Drehbuch zu schreiben über das, was heute gern "Überalterung der Gesellschaft" genannt wird. SdVr: Aha? Lummerstorfer: Es war damals schon klar, dass der Anteil an jungen Menschen in den Industrieländern abnehmen wird, dass es aber, obwohl Jungsein damit an Wert gewinnt, nicht unbedingt ein Vorteil sein muss, jung zu sein: Einerseits ist praktisch als Stehsatz zu hören, wie brutal und rücksichtlos nicht die Jugend wär', auf der anderen Seite liest man, auch in Österreich, zunehmend von Gewalttaten, verübt von über 80-jährigen. SdVr: Stichwort Generationenkonflikt? Lummerstorfer: Naja, vielmehr Verteilungskampf, und weil ein Kampf gekämpft werden muss, haben wir uns die Wahl der Waffen angeschaut und überlegt, zu welchen Ergebnissen das führen kann. SdVr: Klingt zumindest spannend. Lummerstorfer: Finden wir auch und sind damit nicht allein. SdVr: Ihr Projekt wurde 2006 von den Mannheim Meetings eingeladen und stieß dort auf enormes Interesse. Lummerstorfer: Zu meinem Beglücken haben sich dort ohne großes Zutun ein, ich möchte sagen, extrem lässiger Koproduzent gefunden, ein Verleih für Deutschland und ein Weltvertrieb, die den Film gerne verkaufen möchten, und nicht zuletzt die Redaktion eines renommierten, internationalen Fernsehsenders, die bei der Auswahl der Projekte, die sie fördert, bekannt hohe Maßstäbe anlegt. SdVr: Das ist ungewöhnlich? Lummerstorfer: Das ist für einen österreichischen Spielfilm alles andere als normal, und darüber hinaus hat sich auch hierzulande sofort ein großer Verleih gefunden, der den Film gerne in die Kinos bringen möchte. SdVr: Gratuliere! Wo wird dann gedreht werden, viel in Wien oder mehr im Ausland? Lummerstorfer: Ein bisschen in Deutschland, ein bisschen in Niederösterreich und der Steiermark u. einiges in Wien. SdVr: Da wird sich die Filmstadt Wien aber freuen? Lummerstorfer: So hochtrabend möchte ich das nicht formulieren, zumal die Erfahrungen mit dem Filmfonds Wien, der, wenn man in Wien lebt und arbeitet nun mal zuständig ist und nicht eine Förderstelle in Paris oder München, eher nicht von der leckeren Art waren. SdVr: Vielleicht weil, wie kolportiert wird, der Geschäftsführer im letzten Jahr hauptberuflich mit seiner Vertragsverlängerung beschäftigt war? Lummerstorfer: Das kann ich nicht bestätigen, und außerdem ist das legitim, das ist ein toller Posten, mit einem Verdienst etwa in der Höhe eines Ministergehalts, das hätte ich auch gerne. SdVr: Immerhin gilt es ja auch, große Geldsummen zu verwalten und auf internationalen Festivals präsent zu sein. Lummerstorfer: Natürlich, und selbst wenn man sich das Jahresförderbudget ohne es überhaupt zu bemerken um Millionen Euro verkürzen lässt, hat das keinerlei Auswirkungen auf den Karriereverlauf. Um so einen Posten würde ich mich auch nach Kräften bemühen. Das kann man niemandem ankreiden, das zeugt eher von sozialer Intelligenz. SdVr: Und von wahrscheinlich guten Beziehungen . Lummerstorfer: Das haben Sie gesagt, das möchte ich gar nicht unterstellen. SdVr: Naja, in Österreich bekommt man die besseren Posten nur selten allein deshalb, weil man die Ausschreibungskriterien erfüllt. Lummerstorfer: Ich möchte überhaupt nicht in dieses Horn stoßen und in eine sog. Österreichjammerei einstimmen. Grundsätzlich ist die Filmförderung hier gut geregelt, um etliches zu niedrig dotiert natürlich, das ist klar, aber es wäre halt produktiver, wenn Fördergremien ihre eigenen Richtlinien besser einhielten. SdVr: Hört! Hört! Lummerstorfer: Der in den Förderrichtlinien des Filmfonds Wien explizit verlangte Wiener Filmbrancheneffekt, der kulturelle Effekt, sowie die unter dem Punkt Besonders berücksichtigungswürdige Vorhaben zusammengefassten Voraussetzungen treffen praktisch samt und sonders auf unser Projekt zu. SdVr: Oha! Lummerstorfer: Wenn man sich das durchliest, könnte einem der Verdacht kommen, wir hätten unser Projekt, ungeachtet des Inhalts, absichtlich so gestaltet, um nur ja in den Genuss der Förderungen zu kommen. SdVr: Und mit welcher Summe hat sich der Filmfonds letztlich beteiligt? Lummerstorfer: Muss ich nachschauen, damit ich nicht etwas Falsches sage, Moment. Exakt 0 Euro. SdVr: Mit welcher Begründung? Lummerstorfer: Angeblich hat es schon bei der Einreichung zur Projektentwicklung sinngemäß geheißen, dass wir sowas mit unserem privaten Geld machen können, aber mit öffentlichem sicher nicht. SdVr: Das wissen Sie woher? Lummerstorfer: Global besehen ist Österreich ein winziges Land mit einer mikroskopisch kleinen Filmszene, da braucht man kein Richtmikrophon verwenden, um zu erfahren, was in solchen Sitzungen besprochen wird. SdVr: Herr Lummerstorfer, nicht bös’ sein, aber ich glaube Ihnen kein Wort. Lummerstorfer: Brauchen Sie auch nicht. SdVr: Vielleicht hat den Kommissionsmitgliedern einfach nur das Projekt nicht gefallen. Lummerstorfer: Das ist möglich, aber ein Fördergremium ist eben kein Pfarrgemeinderat , der nach persönlichen Vorlieben über die Farbe der Türschnallen des neuen Pfarrzentrums berät. Deshalb gibt es ja genau formulierte, für alle einsichtige Richtlinien, damit Geschmacksturbulenzen möglichst verhindert werden. SdVr: Und der ORF? Lummerstorfer: Möchte den Film gerne mitfinanzieren, was auch nicht selbstverständlich ist, kann das aber erst, wenn die ihm vorgereihten Fördergeber das Porte – monnaie aufmachen. SdVr: Was machen Sie gerade aktuell für den Film? Lummerstorfer: Wir sind u.a. mit Street – Casting beschäftigt, um die Hauptdarstellerinnen und –darsteller für die sog. Jungen im Film zu finden. SdVr: Haben Sie die noch nicht? Lummerstorfer: Doch, momentan schon, aber solche Verhaltensoriginalitäten wie die des Wiener Filmfonds haben uns bis jetzt mindestens ein Jahr gekostet und selbst bei günstiger Entwicklung kann erst nächsten Sommer gedreht werden. SdVr: Und? Lummerstorfer: Wenn man sehr junge Leute vor der Kamera haben will, müssen Sie auch sehr jung sein, und zwei Jahre später sind sie dann schon wieder nicht ganz so jung. SdVr: Aha. Lummerstorfer: Solche Dinge sollte man auch bedenken, wenn man der Meinung ist, dass eine Sitzung schon lang genug dauert, und ein kleinster gemeinsamer Nenner hilft, dem Sitzfleisch rasch Erleichterung zu verschaffen. SdVr: Das meinen Sie jetzt aber ironisch? Lummerstorfer: Natürlich. SdVr: Zum Schluss noch eine Frage, die wir allen unseren Gästen stellen: wie war der Urlaub? Lummerstorfer: Zu kurz. SdVr: Danke für das Gespräch. Lummerstorfer: Bitte gern. (13.9.2007)