Die Wallfahrtskirche St. Bartholomä ist der einzig bekannte Ort, bei dem sich die "Pilger" einer Elektroboot-Flotte bedienen.

Foto: Tourismusamt Königssee
An Sommerwochenenden ist es den ganzen Tag über zu hören: das berühmte Echo vom Königssee. Wenn die Ausflugsboote auf ihrer Fahrt an den steilen Felswänden des Watzmannmassivs vorbeikommen, wird kurz angehalten, und der Bootsführer bläst für die Passagiere die Trompete. Die hört man dann vielfach zurückgeworfen über den ganzen See, bis hinauf in die felsigen Höhen der Watzmanngipfel. Im Biergarten des Gasthauses von St. Bartholomä ist dieses Trompetenecho sowieso die passende Begleitmusik für Gäste, die gerade ihren Durst mit einem ordentlichen Maß Bier löschen.

Der Königssee ist mit 603 Metern Seehöhe der höchstgelegene und sauberste See Deutschlands, und mit St. Bartholomä verfügt er über eine Wallfahrtskirche, die sich auch ohne Papstbesuch keine Sorgen um Besucher machen muss. Rund 500.000 Passagiere werden jährlich zwischen der Anlegestelle Königssee-Seelände mit ihren prunkvollen, alten Bootshäusern und St. Bartholomä hin- und hertransportiert oder weiter bis zur Salet-Alm ans andere Ende des Sees gebracht, von wo man in einem kurzen Fußmarsch den kleinen Obersee und den spektakulären Röthbach-Wasserfall erreichen kann.

Saubere Seefahrt

Mitten im Herzen des Nationalparks Berchtesgaden gelegen, bietet der acht Kilometer lange und 192 Meter tiefe Königssee kristallklares Trinkwasser, da es außer ein wenig Almwirtschaft in seinem Einzugsgebiet keine Landwirtschaft gibt. Private Schlauchboote, Kanus und sogar Luftmatratzen sind hier verboten, befahren wird er ausschließlich mit elektrobetriebenen Booten, 18 Schiffe umfasst die größte Elektroboot-Flotte Deutschlands. Die Schifffahrt Königssee beschäftigt 94 Mitarbeiter und unterhält die höchstgelegene Werft Deutschlands.

Eine gute halbe Stunde braucht man mit dem Schiff bis zur Halbinsel, die eigentlich Hirschau heißt, der gesamte Gebäudekomplex wurde aber landläufig nach der Wallfahrtskirche St. Bartholomä benannt. Direkt daneben steht das alte Jagdschloss der Wittelsbacher, heute ein Gasthaus mit riesigem Biergarten und Blick auf die gewaltige Watzmann-Ostwand - die höchste der Ostalpen.

1881 durchstieg sie erstmals der Holzknecht, Bauer, Bergführer und spätere Hüttenwirt Johann Grill, vulgo "der Kederbacher", mit dem Wiener Klettergast Otto Schück in 14 Stunden. Einem gewissen Hermann Buhl, dem Erstbesteiger des Naga Parbat, gelang im Februar 1953 die erste Winter- und Nachtbesteigung über den schwierigen "Salzburger Weg". Seine Witwe Eugenie Buhl vermietet heute in Ramsau am Watzmann nette Ferienwohnungen - legendäre Geschichten über ihren Mann gehören da natürlich zur Grundausstattung.

Der Steckerlfischer

Untrennbar mit der Halbinsel verbunden ist auch die Fischerei St. Bartholomä, die Arbeitsstätte des Fischers vom Königssee. Rudi Amort ist seit 1967 der einzige Berufsfischer am See. Seine Spezialität sind die "Schwarzreiter", kleine Saiblinge, die auf dünnen Holzspießen über einem Haselnussrost geräuchert werden und so ihren unvergleichlichen Geschmack erhalten. Diese Zubereitung wird ausschließlich hier praktiziert und von Generation zu Generation weitergegebenen. Noch mehr erfährt man bei den traditionellen Fischerfahrten, einer der Erlebnistouren am See.

Auch die Ranger des Nationalparks Berchtesgaden führen über die Halbinsel, präsentieren seltene Tier- und Pflanzenarten. Ausgangspunkt ist die Informationsstelle in St. Bartholomä, früher eine Holzknechthütte, heute zeigt sie dynamische Prozesse der Natur im Jahreszeitenwandel.

Will man zur Halbinsel am Königssee wandern, braucht es Stunden und viel Kondition. Es sei denn, der Winter ist so streng wie zuletzt im Februar/März 2006, als die Wanderer zu Fuß oder mit Langlaufskiern auf dem zugefrorenen See unterwegs waren. Sonst bleibt nur der Weg über die Kührointalm am Watzmann und über den Rinnkendelsteig wieder bergab, so gelangt man in vier bis fünf schweißtreibenden Stunden nach St. Bartholomä.

Erst wenn dieses Sommerwochenende seinem Ende zugeht, wenn sich die letzten Ausflugsboote zur Seelände im Dorf Königssee zurückbewegen, kehrt auf der Halbinsel angenehme Ruhe ein. Die einzigen, die jetzt noch im Biergarten sitzen, sind die Watzmann-Ostwand-Aspiranten des nächsten Morgens. Sie dürfen bereits in der Ostwandhütte übernachten, bevor sie sich auf den abenteuerlichen Weg durch die Wand machen - ihnen allein gilt um diese Zeit das Echo der Trompete. (Martin Grabner/Der Standard/Printausgabe/25./26.8.2007)