Piloten sollten die Bewaffnung der Kampfflieger nicht benutzen, solange die rechtliche Situation unklar ist

Foto: Standard/Bundesministerium für Landesverteidigung
Seit seinem Amtsantritt hat Norbert Darabos Tag und Nacht ein Spezialhandy mit dabei. Wenn dieses Gerät läutet, dann hat das, was am anderen Ende der Leitung passiert, für den Verteidigungsminister „Prioritätsstufe Alpha“ – egal, ob der Sozialdemokrat auf der Regierungsbank im Parlament sitzt, auf Staatsbesuch am Balkan weilt oder seine Truppen bei Übungen im Feld observiert. „Im Schnitt läutet dieses Mobiltelefon einmal pro Woche“, erzählt Darabos’ Sprecher Answer Lang. „Und dann wird der Minister im Regelfall vom Einsatzkommando informiert, dass soeben Abfangjäger aufsteigen, weil ein Flugzeug in den Luftraum eindringt, das nicht zu identifizieren ist.“

„Armes Würstel“

Auf gleicher Augenhöhe können die Militärpiloten dann ohnehin meist rasch Funkkontakt mit diesen Maschinen herstellen. Normalerweise. Doch was, wenn dies einmal nicht gelingt – und sich ein Passagierjet schnurstracks auf die Bundeshauptstadt oder eine Großveranstaltung hinbewegt? Und womöglich von Extremisten entführt wurde, um am Boden größtmöglichen Schaden anzurichten?

Wer in diesem Fall einen Abschussbefehl erteilen kann, darüber herrschen in der Regierung derzeit erhebliche Auffassungsunterschiede. Norbert Darabos meint, der schwarze Innenminister. Günther Platter wiederum glaubt, sein roter Amtskollege.

Anders als in anderen westlichen Staaten gleicht die hiesige Gesetzeslage bis dato einem kaum durchschaubaren Paragrafendschungel, den Darabos nun durchleuchten lässt: Im Rahmen der Luftraumüberwachung wird nämlich nach dem Militärbefugnisgesetz die Kooperationswilligkeit eines Flugzeugs festgestellt, ebenso bietet es die Grundlage dafür, einen Flieger abzudrängen oder zur Landung zu zwingen. Wird allerdings eine terroristische Gefahr festgestellt, ist das Innenministerium für die Bannung zuständig. „Weil wir uns dann eben nicht in einem Krieg befinden, sondern es mit einer kriminellen Bedrohung zu tun haben“, wie ein Beamter des Innenministeriums sagt. Und erst wenn dieses Ressort die Abfangjäger des Militärs zur Assistenzleistung auffordert, darf der Bundesheerpilot – analog zum Sicherheitspolizeigesetz, das den Waffengebrauch für Polizisten regelt – seine Bordkanonen für einen Abschuss einsetzen. Doch welches Regierungsmitglied hilft dem Mann am Himmel via Handyschaltung bei dieser folgenschweren Entscheidung? Derzeit wäre der Pilot damit völlig auf sich allein gestellt. – Was der deutsche Terrorexperte Rolf Tophoven einmal so ausdrückte: „Bei euch wäre der Diensthabende einfach das arme Würstel.“

Auch der von Minister Darabos mit der Öffentlichkeitsarbeit für die neuen Eurofighter betraute Oberstleutnant erklärt nun im Gespräch mit dem Standard völlig unverhohlen: „Ich würde anstelle der Abfangjäger-Piloten derzeit die Waffe nicht benutzen, ohne den Befehl eines Vorgesetzten zu haben. Denn wer übernimmt die Verantwortung, wenn das passiert?“, fragt sich Oskar Krasser.

Völkerrechtler wie der Linzer Franz Leidenmühler schütteln angesichts der hiesigen Rechtslage aus einem anderen Grund den Kopf.

Tragflächen wackeln

Diese widerspreche der Menschenrechtskonvention, nach der Unbeteiligte (die Passagiere) nicht getötet werden dürfen. Der Verfassungsexperte Theo Öhlinger meint auf derStandard.at, dass die jeweilige Terror-Bedrohung nicht abschätzbar sei und deshalb könne man „keine rechtliche Lösung“ dafür finden.

Zumindest der Alarmvorgang ist für den Piloten geklärt: Zuerst setzt sich der Abfangjäger vor die verdächtige Maschine, wackelt mit den Tragflächen, was als „Follow-me“-Befehl zu verstehen ist, wie Krasser erklärt. Hinten hat ein zweiter Kampfjet das Flugobjekt im Visier. Hilft alles nichts, muss der Pilot zuerst einen Warnschuss parallel zur Flugrichtung abgeben – doch über Österreich kam es bis dato noch nicht einmal so weit. (Nina Weißensteiner/DER STANDARD, Printausgabe, 18.7.2007)