„Armes Würstel“
Auf gleicher Augenhöhe können die Militärpiloten dann ohnehin meist rasch Funkkontakt mit diesen Maschinen herstellen. Normalerweise. Doch was, wenn dies einmal nicht gelingt – und sich ein Passagierjet schnurstracks auf die Bundeshauptstadt oder eine Großveranstaltung hinbewegt? Und womöglich von Extremisten entführt wurde, um am Boden größtmöglichen Schaden anzurichten?
Wer in diesem Fall einen Abschussbefehl erteilen kann, darüber herrschen in der Regierung derzeit erhebliche Auffassungsunterschiede. Norbert Darabos meint, der schwarze Innenminister. Günther Platter wiederum glaubt, sein roter Amtskollege.
Anders als in anderen westlichen Staaten gleicht die hiesige Gesetzeslage bis dato einem kaum durchschaubaren Paragrafendschungel, den Darabos nun durchleuchten lässt: Im Rahmen der Luftraumüberwachung wird nämlich nach dem Militärbefugnisgesetz die Kooperationswilligkeit eines Flugzeugs festgestellt, ebenso bietet es die Grundlage dafür, einen Flieger abzudrängen oder zur Landung zu zwingen. Wird allerdings eine terroristische Gefahr festgestellt, ist das Innenministerium für die Bannung zuständig. „Weil wir uns dann eben nicht in einem Krieg befinden, sondern es mit einer kriminellen Bedrohung zu tun haben“, wie ein Beamter des Innenministeriums sagt. Und erst wenn dieses Ressort die Abfangjäger des Militärs zur Assistenzleistung auffordert, darf der Bundesheerpilot – analog zum Sicherheitspolizeigesetz, das den Waffengebrauch für Polizisten regelt – seine Bordkanonen für einen Abschuss einsetzen. Doch welches Regierungsmitglied hilft dem Mann am Himmel via Handyschaltung bei dieser folgenschweren Entscheidung? Derzeit wäre der Pilot damit völlig auf sich allein gestellt. – Was der deutsche Terrorexperte Rolf Tophoven einmal so ausdrückte: „Bei euch wäre der Diensthabende einfach das arme Würstel.“
Auch der von Minister Darabos mit der Öffentlichkeitsarbeit für die neuen Eurofighter betraute Oberstleutnant erklärt nun im Gespräch mit dem Standard völlig unverhohlen: „Ich würde anstelle der Abfangjäger-Piloten derzeit die Waffe nicht benutzen, ohne den Befehl eines Vorgesetzten zu haben. Denn wer übernimmt die Verantwortung, wenn das passiert?“, fragt sich Oskar Krasser.
Völkerrechtler wie der Linzer Franz Leidenmühler schütteln angesichts der hiesigen Rechtslage aus einem anderen Grund den Kopf.
Tragflächen wackeln
Diese widerspreche der Menschenrechtskonvention, nach der Unbeteiligte (die Passagiere) nicht getötet werden dürfen. Der Verfassungsexperte Theo Öhlinger meint auf derStandard.at, dass die jeweilige Terror-Bedrohung nicht abschätzbar sei und deshalb könne man „keine rechtliche Lösung“ dafür finden.