Dorothea Brozek bespricht sich mit ihrer Persönlichen Assistentin.

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Mit bedächtigen Handbewegungen trägt Dorothea Brozek die Wimperntusche auf. „Die Hand ein bissl runter bitte“, sagt sie. Ihre „Persönliche Assistenz“ (PA) Theodora Rohrbacher nimmt ihren Ellenbogen und rückt ihn gekonnt ein klitzekleines Stück weiter die Lehne hinunter, damit der Spiegel in Brozeks linker Hand im richtigen Winkel steht. Zusätzlich stützt die Assistentin das Handgelenk der 41-jährigen Wienerin, die gleich noch ihre Brauen bürstet und Lipgloss aufträgt. Theodora, eine Studentin der Pflegewissenschaften, übernimmt das Kämmen und Parfümieren, steckt Ringe und Ohrringe an, holt Handtasche und Halstuch.

„Wir sind schon so gut eingespielt“, lächelt Brozek, während die PA ihr die Schuhe so anzieht, dass nichts drückt oder sich spießt. Brozek hat seit dem Kleinkindalter eine fortschreitenden Muskelerkrankung und ist seither auf den Rollstuhl angewiesen – und auf jemanden, der all die kleinen Handgriffe ersetzt, für die ihr die Kraft fehlt. Das übernahmen lange Zeit ihre Mutter und die Mitarbeiter des Heimes, in dem sie die Volksschule absolvierte. Weil kein barrierefreies Gymnasium gefunden werden konnte, besuchte sie eine Hauptschule und dann eine Handelsakademie. Während des Studiums (Slavistik, Polnisch und eine Kombination aus Publizistik, Politikwissenschaften und Russisch) war eine Heimhilfe „die einzige Möglichkeit, ein bisschen autonom zu sein“.

Langwierige Verhandlungen

Danach hat sich Brozek in langwierigen Verhandlungen mit der Stadt eine „Einzellösung“ erkämpft, die ihr eine Betreuung durch eine PA ermöglicht. Seit April 2006 ist sie Teilnehmerin an einem zweijährigen Modellprojekt, bei dem die Stadt Wien die Finanzierung der „Persönlichen Assistenz“ abseits des Berufslebens übernimmt. Fünf bis sieben Assistentinnen sind insgesamt rund 17 Stunden pro Tag zur Stelle.

„Wenn mir niemand in der Früh aus dem Bett hilft, kann ich auch keinen Beruf ausüben“, erklärt Brozek auf der Fahrt im adaptierten, von der Assistentin gelenkten Kleinbus ins Büro. Als Mitgründerin und Geschäftführerin der Wiener Assistenz Genossenschaft (WAG) berät sie Menschen, die nicht in einer Behinderteneinrichtung leben wollen. Seit vielen Jahren kämpft sie für die Möglichkeit auf ein selbst bestimmtes Leben mit PA – so wie es etwa in Skandinavien oder Deutschland seit vielen Jahren der Normalfall ist.

Gute Chemie

Zwischen Aufstehen, Anziehen, Begleitung beim Job, Abendgestaltung und Umdrehen in der Nacht fallen unzählige oft unscheinbare, aber für die Lebensqualität essenzielle Tätigkeiten an, sei es das ständige Positionieren der Hände, das Vorschieben des Kopfes, wenn er während der Autofahrt zurückfällt oder das lebenswichtige Klopfen auf den Rücken, wenn sich Brozek verschluckt hat.

Dazu gehört vor allem ständige Kommunikation – und eine gute Chemie. „Ich kann spontan sein und nach meinem eigenen Stil leben, ohne dass mein Partner zum Pfleger werden muss“, beschreibt die Hobbysängerin die Bedeutung der PA. „Ich kann shoppen gehen und mir ein Eis kaufen, wann ich will – und so auch noch die Wirtschaft unterstützen. Im Heim kann ich höchstens die Windelindustrie fördern.“ (Karin Krichmayr/DER STANDARD; Printausgabe, 14./15.7.2007)