Im Bundeskanzleramt hat die SPÖ das Dollfuß-Bild abgehängt. SP-Justizsprecher Hannes Jarolim fordert nun von Gertrude Aubauer und der ÖVP-Perspektivengruppe, das auch im Parlament zu tun.

fotos: standard/newald
Sehr geehrte Frau Kollegin Aubauer,

Mit großer Freude habe ich Ihren Aufruf an ein geneigtes Publikum "Herein, herein mit bunten Ideen und bunten Blumen und schau`n wir mal." auf derStandard.at zur Kenntnis genommen und fühle mich ob diese Aufrufes gewissermaßen verpflichtet, Sie vom Vorliegen eines Ihnen vielleicht noch nicht hinreichend zur Kenntnis gelangten Umstandes zu informieren:

An vielen Stellen des Bundesgebietes sind in den letzten Monaten Diskussionen über eine ernsthafte Hypothek des Landes in Form der bildlichen Darstellung des Austrofaschisten und ArbeiterInnenmörders Engelbert Dollfuß entbrannt. So ist es etwa Bischof DDr. Küng in der Prandtauerkirche der Landeshauptstadt St. Pölten gelungen, eine gewissermaßen verblendete Gruppe von Gläubigen davon zu überzeugen, dass die Demontage und vorangehende Verhängung eines dort befindlichen Bildnisses von Engelbert Dollfuß im Rahmen einer szenischen Darstellung einer Himmelfahrt zum Wohle der sakralen Bedürfnisse gelegen ist. Mittlerweile wird der beherzte Akt in der betroffenen Gemeinschaft als wesentliche Steigerung des Wohlbefindens empfunden Ähnliches hat zwischenzeitig im Bundeskanzleramt stattgefunden, wo ebenfalls eine bildliche Darstellung des ArbeiterInnenmörders bis vor kurzem die Wand verhangen hatte. Auch in diesen Bereichen hat der vollzogene Akt der Entfernung zu einem signifikanten Anstieg des Wohlbefindens der dort verkehrenden Personen geführt.

Bis vor geraumer Zeit, habe ich auch den vormaligen Präsidenten des Nationalrats, Dr. Andreas Khol hinsichtlich eines offenbar zu Verehrungszwecken in seinem Zimmer aufgehängten Dollfußbildes darauf aufmerksam gemacht, dass das Affichieren jener Person, welche die gewaltsame Abschaffung der Demokratie und Ermordung mutiger Arbeiter, die der Demokratie mit vollem Herzen verbunden waren, beauftragte, in Räumlichkeiten des Parlaments nicht nur unpassend sondern aus meiner Sicht unerträglich ist. Der sachlichen Richtigkeit dieser Argumentation zum Trotz hat Herr Dr. Khol aber auf einem Hängenlassen beharrt, bedauerlicherweise auch ohne durch Mitglieder Ihres Parlamentsklubs dafür zur Ordnung gerufen worden zu sein.

Jüngst wurde ich darüber informiert, dass Ihr nunmehriger Klubobmann Dr. Schüssel dem ebenerwähnten Bild durch Verhängung innerhalb des ÖVP-Klubs einen noch prominenteren Platz eingeräumt haben soll, was für jeden aufgeklärten Demokraten nahe liegender Weise die Fragen nach der Bedeutung dieses eigenwilligen Vorganges entstehen lässt. Ein weiteres Eingehen auf diese Frage würde nach Maßgabe meiner Erfahrungen in der jüngeren Vergangenheit allerdings mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Hand in Hand mit einer Beeinträchtigung des ohnedies sich nicht durch besondere Herzlichkeit auszeichnenden Verhältnis zum vormaligen Bundeskanzler einhergehen. Ich denke daher, dass Ihr schicklicher Aufruf nach "Ideen&Blumen" im gegenständlichen Zusammenhang als nicht unwesentlicher Schlüssel zur Lösung dieses die Geschicke des ganzen Landes nicht unwesentlich belastenden Problems betrachtet werden könnte.

In diesem Sinne darf ich daher Ihnen, Frau Kollegin Aubauer, und Ihrer Gruppe die Lösung des gegenständlichen Problems anheim stellen. Die Unduldsamkeit der Jugend sollte es sein, die ein umgehendes Abhängen eines Symbols der Demokratiefeindlichkeit aus den Hallen der Demokratie erzwingt und damit auch Ihrer Gesinnungsgemeinschaft die Pforte zum Vorstoß in modernere Zeiten öffnet.

In diesem Sinne wünsche ich alles Gute und verbleibe

mit besten Grüßen

Ihr

Hannes Jarolim