Grafik: DER STANDARD
Gütersloh/Wien - Aberhunderte von Bertelsmännern trudeln kommenden Montag in Berlin ein. Von Vorstandschef Gunther Thielen sollen sie dort erfahren, wer ihn mit Jahreswechsel ablöst und ihr aller oberster Boss wird. Auch Oliver Voigt wird wohl aus Wien in die deutsche Hauptstadt pilgern: Er steht der Geschäftsführung der Verlagsgruppe News vor, die den heimischen Magazinmarkt dominiert. Sie gehört zu 56 Prozent dem Hamburger Verlag Gruner + Jahr, an dem Bertelsmann drei Viertel hält.

28 % des Umsatzes kommen von der RTL-Group

Obwohl größter Magazinverlag Europas, ist G+ J drittgrößter Umsatzbringer unter den sechs Geschäftsbereichen des Konzerns. Am meisten Geld bringt dem Riesen aus Gütersloh ein Österreicher: Gerhard Zeiler, in den Neunzigerjahren Generaldirektor des ORF, ist Geschäftsführer der RTL Group. An die 28 Prozent des Bertelsmann-Umsatzes steuert der größte europäische Fernsehkonzern bei. Beim operativen Ergebnis wiegt Zeilers TV-Konzern noch viel mehr in den Bilanzen der Bertelsmänner: 2005 kamen 756 Millionen von 1,6 Milliarden von der RTL Group. Im ersten Halbjahr 2006 471 von 701 Millionen Bertelsmann-Ergebnis.

Favorit Ostrowski

Auch Zeiler wurde schon als potenzieller Bertelsmann-Boss gehandelt. Inzwischen aber ist der Favorit klar, und er kommt ebenso wenig aus Wien wie der Mann mit Außenseiterchancen. Die große Mehrheit der Bertelsmänner wettet inzwischen auf Hartmut Ostrowski (48). Wie früher Bertelsmann-Boss Gunther Thielen (64) führt er die Druck- und Dienstleistungsgruppe des Konzerns. Sie deckt ein breites Spektrum von Druckereien über Callcenter, Kundenbindungsprogramme (etwa Miles & More) bis zur Auslieferung von Handys und Projekten in Public Private Partnership ab: Seit Sommer verwaltet Arvato zum Beispiel den Bezirk East Riding im nordenglischen Yorkshire - bis hin zur Einhebung von Steuern.

Ostrowski Wunschkandidat von Liz Mohn

Der Bielefelder Ostrowski steht seit 1982 in den Diensten von Bertelsmann mit einer kurzen Unterbrechung bei Security Pacific Eurofinance in München. Er gilt als Wunschkandidat von Liz Mohn, der Frau von Reinhard Mohn, der den Familienverlag ab 1947 zum Weltkonzern aufbaute. Mit dem damaligen Erfolgsprinzip Buchklubs.

Diesen Unternehmensbereich, heute zusammengefasst in der Bertelsmann Direct Group, holte Ewald Walgenbach (47) gerade aus der tiefen Krise. Erst vorige Woche wurden noch rasch seine unternehmerischen Erfolge 2006 im Handelsblatt lanciert. Walgenbach, lange als Favorit neben Ostrowski gehandelt, hat das Rennen freilich nach Einschätzung von Bertelsmannkennern inzwischen verloren. Vielleicht auch, weil er sich laut mit Erfolgen brüstete. Mit Abgang wird gerechnet.

Die Mohns belasteten Bertelsmann 2006 schwer

Um 4,5 Milliarden Euro mussten die 25,1 Prozent am Konzern vom Luxemburger Aktionär GBL zurückgekauft werden. Bertelsmann verschuldete sich weit über selbst gesteckte Grenzen mit rund neun Milliarden. 1,6 Milliarden spielte der Verkauf der BMG-Musikbibliothek ein, vergrämte aber Sony, die Hälftepartner bei Sony BMG. Um Segen für diese Partnerschaft feilscht man noch mit der EU.

Der neue Chef muss auch die Abhängigkeit von RTL reduzieren - und damit jene von der Werbewirtschaft. (Harald Fidler/DER STANDARD; Printausgabe, 17.1.2007)