Die Verwendung einer Abschrift sowie von Fotos des exklusiven ORF-Interviews mit Natascha Kampusch durch die Tageszeitung "Österreich" könnte das neue Printmedium eine ordentliche Summe Geld kosten. "Offensichtlich ist, dass hier unbefugt Transkriptrechte in Anspruch genommen wurden", erklärte der designierte ORF-Chef Alexander Wrabetz. Auch die von der ORF-Sendung abfotografierten Kampusch-Fotos "hätten sicher nicht unentgeltlich übernommen werden dürfen".

16-seitiges Extra

Die Tageszeitung "Österreich" brachte in Teilen des Landes am Donnerstag ein 16-seitiges Extra auf den Markt: Darin befindet sich eine umfangreiche Abschrift des ORF-Interviews mit Kampusch sowie 14 Foto-Kader aus der ORF-Sendung. Auf der Titelseite des Farb-Heftes ist jenes Foto von Natascha Kampusch zu sehen, das schon auf dem Cover des Wochenmagazins "News" unter dem Titel "Die Story auf die Österreich wartet" abgebildet war.

"Österreich": Kein unbefugter Rechtegebrauch

Die Tageszeitung "Österreich" habe "keine unbefugten Rechte in Anspruch genommen", stellte die Chefredaktion der neuen Zeitung via Aussendung fest. Die Berichterstattung unterscheide sich "in keiner Form von jener in anderen Tageszeitungen". So sei etwa die Wiedergabe des TV-Interviews in der Gratiszeitung "Heute" in "genau derselben Form" erfolgt, hieß es.

"Screenshots"

Auch News-Geschäftsführer Oliver Voigt stellte ein "juristisches Vorgehen" gegen "Österreich" in Aussicht. Das Blatt hingegen verwies darauf, dass dieses "Screenshots" auch in anderen Tageszeitungen zu finden seien und nannte "Presse", "Heute", "Kurier", "Oberösterreichische Nachrichten" und "zahlreiche Regionalzeitungen". Es handle sich dabei um eine international übliche und weltweit täglich praktizierte Vorgangsweise, um über einen auf besonderes öffentliches Interesse gestoßenen Fernsehbeitrag zu berichten. Bezüglich des Aufmacherfotos, das einen Ausschnitt des "News"-Covers darstellt, hielt die Chefredaktion fest, dass dieses Bild dem ersten am Mittwoch ausgesandten Foto der Nachrichtenagentur "Reuters" entspricht, "das ausdrücklich keinerlei Einschränkungen bei der Wiedergabe vorsah".

"Während der Ausstrahlung vor dem Fernseher" mitgetippt

Für das Sonderheft seien eigens drei Sekretärinnen abgestellt worden, die das Gespräch zwischen der 18-Jährigen und dem ORF-Journalisten Christoph Feurstein "während der Ausstrahlung vor dem Fernseher" mitgetippt haben. Erst danach, gegen 23 Uhr, sei "Österreich" in Andruck gegangen, erklärte Carola Purtscher, Pressesprecherin der Fellner-Zeitung, gegenüber der APA und dementierte damit das Gerücht, wonach der Tageszeitung das TV-Interview vorab vorgelegen sei.

Auch der künftige ORF-Chef Wrabetz stellte solche Spekulationen in Abrede. "Es gab keine direkte oder indirekte Weitergabe von Sendungsmitschnitten. Und es gibt auch kein Indiz dafür, dass dies unbefugt geschehen ist. Wir haben das Band nicht früher rausgegeben", sagte Wrabetz. Zum einen decke sich das "Österreich"-Transkript nicht hundertprozentig mit dem Inhalt des ORF-Interviews, zum anderen sei auf den von "Österreich" verwendeten Screenshots das ORF 2-Logo im rechten oberen Eck zu sehen. Dieses entstehe immer erst bei der aktuellen Ausstrahlung von ORF-Formaten. Mit der Natascha-Kampusch-Sonderausgabe erzielte "Österreich" nach eigenen Angaben einen Rekordverkauf. Die Verkaufsauflage sei nahezu verdoppelt worden. (APA)