Renault, GM und Nissan würden gemeinsam jährlich 15 Millionen Autos produzieren.

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François Loos betonte im Fernsehen, die Dreier-Allianz General Motors/Renault/Nissan stehe "noch nicht auf der Tagesordnung". Die Zurückhaltung der Behörden erklärt sich aus der Vergangenheit: Als Staatsbetrieb hatte Renault bereits einen teuren und kläglich gescheiterten Anlauf in den US-Markt unternommen. Heute hält der Staat 15 Prozent der Anteile.

Normalerweise schließen sich die Staatsdelegierten im Renault-Verwaltungsrat der Meinung der "technischen" Direktoren und von Konzernchef Carlos Ghosn an. Jetzt mahnt aber Loos öffentlich zur Vorsicht, auch die Öffentlichkeit ist skeptisch. Skeptischer als beim Verbund der Vierländerbörse Euronext mit dem New York Stock Exchange.

Viele Pariser Medien fragten am Dienstag, was der amerikanische Vorschlag eines Dreier-Verbundes für Renault überhaupt bringe. Sie bezweifeln, ob Renault leichter Zutritt zum US-Markt erhielte als über das Vertriebsnetz und die Zulieferer von Nissan.

Pensionsansprüche des GM-Personals "sehr, sehr großes Problem"

Loos meinte ebenfalls: "Um in den USA unter Verwendung des GM-Netzes mehr Autos verkaufen zu können, wären Jahre und nochmals Jahre erforderlich. Nötig wären überall Werkstätten, eine Vertriebsorganisation, Konzessionäre." Ein Verkaufsnetz in einem Land aufzuziehen sei "gefährlicher" als die Lancierung neuer Produkte.

Und er warnte vor den Pensionsansprüchen des GM-Personals, die "ein sehr, sehr großes Problem" werden könnten, schätzte der Minister, für den die erste Autoindustrie-Fusion über drei Kontinente hinweg "nur eine Idee" ist.

Ghosn hatte sich am Montag bereit erklärt, mit GM über eine Allianz zu diskutieren, falls aus Detroit ein entsprechendes Gesuch eingehe. Gerüchteweise soll er an 20 Prozent des GM-Kapitals interessiert sein. Der Renault-Chef war Mitte 2005 von der 44-prozentigen Tochter Nissan übergetreten und hatte im Frühjahr bei der Vorstellung seiner Strategie erklärt, er denke in den nächsten drei Jahren nicht daran, in den US-Markt zurückzukehren.

Großes Risiko

Das Risiko für Renault ist gewaltig. Der operative Gewinn der französischen Marke ist im Vorjahr um über 37 Prozent gesunken, weil der Absatz in Westeuropa zurückgeht. Damit rächt sich, dass Renault zu stark auf wenige Erfolgsmodelle wie Mégane vertraute. Ghosn plant ab 2007 gleich mehrere Neulancierungen auf einmal. Doch das kostet viel Geld. Dazu hat er auch neue Absatzprojekte in großen Schwellenmärkten wie Russland oder Iran.

Da scheint es fraglich, ob über zwei Milliarden Euro in das GM-Abenteuer zur Verfügung stehen. Die 44-Prozent-Tochter Nissan trug zwar 2005 einen Großteil zu Renaults Reingewinn von 3,4 Mrd. Euro bei, länger lässt sich der japanische Goldesel aber nicht schröpfen. Für den Renault-Chef würde sich ein GM-Einstieg wohl nur mit konkreten Absichten lohnen. Etwa eine gemeinsame Plattform-Strategie von Opel und Renault? Eine Kooperation bei Nutzfahrzeugen? Das wäre als Motiv plausibler als ein US-Abenteuer. Wenn es stimmt, dass Ghosn selbst um 20 Prozent GM-Kapital gebeten hat, darf angenommen werden, dass er mehr im Schilde führt, nicht nur Dreier-Fusionen über Ozeane hinweg. Für den in Brasilien geborenen Libanesen, der in Frankreich Karriere machte, jahrelang in Japan lebte und nun mit Töchtern in Rumänien (Dacia) und Korea (Samsung) Erfolg hat, ist der weltweite Automarkt ein globales Brettspiel – und wenn er einen Stein bewegt, kennt er seine nächsten Züge bestimmt schon im Voraus.

Den Anstoß zu einer Allianz zwischen Renault, Nissan und GM_hatte Ende der Vorwoche der Milliardär Kirk Kerkorian gegeben. Kerkorian, in Deutschland unter anderem bekannt durch seine Kritik an der Fusion von Daimler-Benz und Chrysler, besitzt 9,9 Prozent an GM. Am Freitag berät der GM-Verwaltungsrat die weitere Vorgangsweise. (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5.7.2006)