Erfreuliches, wohin man im eigenen Bericht auch blicken mag: Kanzler Wolfgang Schüssel mit Martin Bartenstein und Karl-Heinz Grasser.

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Wien - Österreich, das wirtschaftlich bessere Deutschland, Österreich, der Exporteuropameister, Österreich als Hauptprofiteur der Osterweiterung, Österreich als mittlerweile viertreichstes Land der Europäischen Union und so fort. Die Präsentation des Wirtschaftsberichtes 2006 der Bundesregierung strotzte vor Lob für ein erfolgreiches Land, für die Tüchtigen und das Erreichte und für jene, die dafür im Herbst wiedergewählt werden wollen.

Neben einigen tatsächlich erfreulichen harten Wirtschaftsdaten, wie der sinkenden Zahl an Arbeitslosen, unterstrich Finanzminister Karl-Heinz Grasser die Bedeutung der Psychologie, der gefühlten Wirklickeit im Wirtschafts- leben. Mit Blick auf den Segen der Steuerreform sagte Grasser vor versammelter Wirtschafts- und Politprominenz: "Ich ersuche Sie ganz dringend, sich entlastet zu fühlen."

Trendwende am Arbeitsmarkt

Tatsächlich entlastet kann sich derzeit Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Bartenstein fühlen. Die bereits seit April erhoffte Trendwende auf dem Arbeitsmarkt scheint sich seinen Prognosen gemäß zum Wahlherbst hin zu verfestigen. Erstmals seit dem Juni 2002 sank die Zahl der Arbeitslosen im Juni 2006 wieder unter die Marke von 200.000. Ein Rückgang um 7,1 Prozent oder 14.942 Arbeitslose auf 196.368 Betroffene, vermeldete Bartenstein.

Auch wenn man den massiven Anstieg der AMS-Schulungen hinzurechnet, gab es im Juni um 4784 Arbeitslose weniger als im Vorjahr. Mit einer Arbeitslosenquote nach EU-Methode von 4,8 Prozent liegt Österreich an viertbester Stelle im EU-Vergleich.

Bundeskanzler Wolfgang Schüssel resümmierte die Höhen und Tiefen der EU-Präsidentschaft, lobte Exportwirtschaft und Investitionsfreudigkeit, legte aber auch den Finger auf so manche Wunde: "Ein Thema, das mir Sorgen macht, ist der Zustand der Sozialpartnerschaft, Abteilung Arbeitnehmer. Ich hoffe, dass ÖGB und Arbeiterkammer aus ihrem Tal herauskommen", sagte Schüssel. Beispielsweise dürfe die Globalisierung nicht länger zum "Monsterbild"hinauf stilisiert, sondern müsse vielmehr vom "Feind- zum Freundbild"gemacht werden. Schwer falle dies offenbar nur jenen, die ihre "Karibik-Erfahrungen an erster Stelle" hätten, spielte Schüssel auf die verlustreichen Geschäfte der Bawag an.

Sorgen

Sorgen bereiten dem Kanzler aber auch Themen wie die Ausländerintegration, die Stromversorgung Österreichs und ein Budgetdefizit von 1,5 bis 1,7 Prozent - "und das in der Hochkonjunktur".

Der solcherart angesprochene Finanzminister versprach umgehend und zum wiederholten Mal ein weiteres Nulldefizit im Jahr 2008 und eine Entlastung von bis zu zwei Milliarden Euro - bei einer effizienten Reduktion überbordender Bürokratiekosten für Unternehmen in Österreich. (Michael Bachner, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4.7.2006)