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Severstal-Chef Alexej Mordaschow (auf dem Monitor und auf dem Podium links), Arcelor-Aufsichtsratschef Joseph Kinsch und CEO Guy Dolle (v.l.).

Foto: Reuters/Roge
Nach Jahren internen Wachstums dehnen russische Unternehmer ihre Kauflust nun auf Firmen in der ganzen Welt aus. Neben den bekannten Expansionsambitionen von Gasprom kommt jetzt der Einstieg des Stahlbarons Alexej Mordaschow beim Branchenriesen Arcelor.

Der Stahlriese Mittal - stark an Arcelor interessiert - will nicht klein beigeben. Man wäre gegebenenfalls auch mit einem Minderheitsanteil von 40 Prozent zufrieden, teilte das Unternehmen am Dienstag mit. Wie der Kampf der Stahlgiganten auch ausgeht: Vor wenigen Jahren hätte niemand gedacht, dass ein russischer Konzern dabei eine führende Rolle spielen würde. Da war die größte Sorge Russlands noch die Kapitalflucht.

Expansion

In der Zwischenzeit sind die russischen Unternehmer erstarkt. Nachdem der Kuchen im Land im Großen und Ganzen aufgeteilt ist, fließt nun Kapital unter anderem Namen aus dem Land: Die russischen Betriebe expandieren.

Das Land müsse sich auf den globalen Märkten positionieren und dabei stets den eigenen Vorteil vor Augen haben, gab Präsident Putin in seiner Rede zur Lage der Nation Mitte Mai die Strategie vor. Am deutlichsten hat dies bisher der Gasmonopolist Gasprom befolgt. Um auch auf dem lukrativen Endverbrauchermarkt mitzuverdienen, drängt er in die europäischen Verteilersysteme und stößt dort wegen des Verdachtes, der Kreml instrumentalisiere den Konzern für sein wiedererwachtes Großmachtstreben, auf breiten Widerstand: Der deutsche Energiekonzern Eon sträubt sich, auch der britische Gasverteiler Centrica. Nur die deutsche BASF ließ die Russen vor; deshalb darf die Tochter des Chemiekonzerns künftig in Russland Gas fördern. Die italienische Eni will es BASF gleichtun.

Mit Segen des Kreml

Erregt die staatlich kontrollierte Gasprom mit ihren Ambitionen Argwohn, so löste der jüngste und größte russische Auslandscoup hingegen keinen Aufschrei aus. Mordaschow, der 40-jährige Eigentümer des Stahlkonzerns Severstal, wird seinen Betrieb voraussichtlich mit dem luxemburgischen Branchenriesen Arcelor fusionieren und damit in den Präsidentensessel des dann weltgrößten Stahlkonzerns aufsteigen. Ohne Putins Segen wäre dies undenkbar.

Für Mordaschow ist es nicht der erste Ausflug in den Westen: Er hat die bankrotte amerikanische Rouge Industries gekauft und unter dem Namen Severstal North America saniert. Auch die italienische Lucchini-Gruppe zog er unter sein Dach. Legten die Russen für Unternehmensübernahmen im Ausland 2004 rund 4,8 Mrd. Dollar aus, waren es 2005 etwa 6,5 Mrd. Dollar. Im ersten Quartal 2006 sollen es nach Angaben der Bewertungsagentur Dealogic 9,6 Mrd. Dollar gewesen sein.

Einer der ersten West-Akquisiteure war der Ölkonzern Lukoil, der schon 2000 ein Tankstellennetz in den USA übernahm. Auch erwarb er Ölfelder - etwa in Saudi-Arabien und Kolumbien. Im Telekombereich stieg die Alfa-Gruppe Ende 2005 für 2,5 Mrd. Euro beim türkischen Mobilfunker Turkcell ein. Der weltgrößte Förderer von Palladium und Nickel, die Norilsk Nickel, schluckte 2003 den US-Bergbaukonzern Stillwater. Im Vorjahr kaufte die russische Evraz Holding den drittgrößten tschechischen Stahlproduzenten Vítkovice Steel für 241 Mio. Euro.

In den GUS-Staaten ist Russland eine Hausmacht und baut seine Präsenz aus. So hat Gasprom Anteile am Verteilernetz in den baltischen Staaten und Moldawien. Der Stromgigant RAO besitzt Kraftwerke und Netze in Georgien, Moldawien, Armenien, Kasachstan und Tadschikistan.

Genug Kapital

Die Akquisitionen gehen weiter. Der Stahlgigant Evraz will den amerikanischen Vanadiumproduzenten Stratcor um 110 Mio. Dollar übernehmen, der Aluminiumgigant Rusal von der Bauxitförderung in Guinea nun auch zum Kauf übergehen. Geld ist vorhanden: Wie das russische Forbes-Journal errechnete, verfügen die 100 reichsten Russen über 248 Mrd. Dollar. (Eduard Steiner, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 31.5.2006)