Peter Filzmaier ist Politikwissenschafter am Department Politische Kommunikation der Donau-Universität Krems

Günther Ogris ist Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter von SORA

foto: standard/corn sorat
derStandard.at: Die "Kronen Zeitung" schreibt, H.-P. Martin könnte bei der Nationalratswahl antreten. Welche Chancen hätte er?

Filzmaier: Das Haupt-Kriterium ist die Hürde von vier Prozent. Das ist möglich.

Um es zu schaffen, bräuchte er erstens eine Parteistruktur. Die hat er jedoch definitiv nicht. Diese ersetzt er aber durch die Plattform einer medialen Öffentlichkeit, die er schon bei der EU-Wahl sogar idealtypisch hatte - sogar weit über die größte Tageszeitung des Landes hinaus. Der dritte wesentliche Faktor ist Geld. Wieviel er davon hat, weiß ich natürlich nicht. Aber durch die EU-Wahl hat er im Unterschied zu 2004 sicher mehr.

Was er momentan nicht hat, ist ein geeignetes Thema, wie es die EU-Reisekostenabrechnungen waren. Etwas konkret Vermittelbares fehlt ihm derzeit. Aber das könnte sich in Österreich schnell finden.

derStandard.at: Die 14 Prozent wie bei der EU-Wahl wird er nicht schaffen?

Filzmaier: Dieser Vergleich wäre vollkommen falsch. Das damalige Ergebnis resultierte aus anderen Bedingungen, wie z.B. einer Wahlbeteiligung von nur 42 Prozent. Bei den Nationalratswahlen werden fast doppelt so viele wählen gehen. Das ist also nicht vergleichbar.

Durch die Teilung der FPÖ ist weiters die Konkurrenz bei den Kleinparteien höher geworden. Niemand weiß, welche Rolle die KPÖ zumindest in einzelnen Bundesländern spielen wird. Es geht bei Martin hauptsächlich um die vier Prozent.

Ogris: 14 Prozent wird er nicht schaffen. Die Nationalratswahl ist den Wählern die wichtigste Wahl überhaupt, und anders als bei der EP-Wahl wird bei der NRW auf Seiten von SPÖ und ÖVP wird die Wahlbeteiligung sehr hoch sein. Die 345.000 Stimmen der EP-Wahl reichen dann etwa für sieben Prozent der gültigen Stimmen, wahrscheinlich bekommt er aber eher weniger.

derStandard.at: Ist Martin statt Haider (bzw. Strache) das neue Liebkind der "Krone"?

Filzmaier: Das geht in den Bereich der Spekulationen. Er ist aber auch Kolumnist bei der "Kronen Zeitung" und liefert für ein Boulevard-Medium dankbare Themen und Geschichten.

Welche persönlichen Präferenzen Krone-Chef Hans Dichand für Haider, Strache oder Martin hat, kann ich nicht beurteilen, das würde in den Bereich der Psychoanalyse fallen.

Ogris: HPM hat bei der EU-Wahl am meisten Stimmen der FPÖ weggenommen, und zwar etwa 100.000, der SPÖ etwa 80.000, der ÖVP 55.000 und 65.000 Nichtwähler.

Die Kronen Zeitung kann so vor allem BZÖ und FPÖ schaden, und SPÖ und ÖVP so viele Stimmen kosten, dass sie so möglicherweise eine Große Koalition erzwingt.

derStandard.at: Wieviel Prozent wären allein auf die Unterstützung der „Krone“ zurück zu führen?

Ogris: Ohne Unterstützung der Kronen-Zeitung hat HPM überhaupt keine Chancen. Nur die Kronen-Zeitung kann die Protestwähler für HPM mobilisieren.

derStandard.at: Sollte Martin den Einzug schaffen, mit wem könnte er am ehesten koalieren?

Filzmaier: Ich kann mir nicht vorstellen, dass die SPÖ angesichts der Vergangenheit mit dem Kandidaten Hans-Peter Martin irgendwelche Interessen zeigt, mit ihm zu koalieren.

Ich kann es mir auch nicht bei den anderen Parteien vorstellen, ohne das als persönliche Kritik zu missinterpretieren. Die Koalitionsfähigkeit impliziert zwangsläufig, dass jemand zu einem "Geheimnisträger" wird, das heißt interne Informationen besitzt. Ich glaube nicht, dass Martin da bei irgendeiner Partei als Wunschpartner an erster Stelle steht, weil sein Job es war, interne Informationen zu sammeln und medial zu publizieren.

Ogris: Niemand würde eine Koalition mit ihm eingehen, das würde niemand riskieren, weil noch nie jemand dauerhaft mit HPM zusammenarbeiten konnte (siehe Resetarits).

derStandard.at: Also, falls er es schafft anzutreten, wird er auch im Parlament sein?

Filzmaier: Es ist eine realistische Chance gegeben. Ich denke, dass es sein derzeitiges Kalkül ist, diese Chance auszutesten.