Wien - Am 13. Dezember, kurz vor 22 Uhr, registrieren Überwachungskameras, wie ein warm angezogener, fast gänzlich vermummter Mann über einen Seiteneingang das Hauptgebäude der Wiener Wirtschaftsuniversität (WU) betritt. Innerhalb der nächsten Stunde ist er nach Angaben der Polizei "mehrmals" auf Kameraaufnahmen zu sehen, auch wenn sein Weg nicht lückenlos verfolgt werden kann.

Um 22.56 wird er im unmittelbaren Bereich der Biologie-Bibliothek, die in der WU-Bibliothek untergebracht ist, gefilmt. Um 23.08 wird dort der erste Brandmelder ausgelöst. Wenig später werden drei weitere Brandherde entlang des Ganges, der im Untergeschoss des WU-Hauptgebäudes verläuft, gelegt.

Nach tagelangen Spekulationen hat die Polizei am Donnerstag Bilder des Verdächtigen veröffentlicht: Gesucht wird eine cirka 170 Zentimeter große Person, die zu dunklem Fischer-Schlapphut, kariertem, Burberry-ähnlichem Schal und einem dunklen knielangen Mantel auffällig weiße Turnschuhe trug. "Die Person ist zeitlich und örtlich so positioniert, dass sie entweder der Täter war oder den Täter gesehen haben muss", betont Chef-Inspektor Armin Ortner von der Kriminaldirektion 1, dass der Unbekannte auch Zeuge sein könnte.

Ein weiteres wichtiges Indiz ist ein leerer weißer Kanister, der am Tatort gefunden wurde. Darin befand sich laut Ortner Diesel oder Heizöl, das als Brandbeschleuniger benutzt wurde. Da der verdächtige Mann beim Betreten des Gebäudes kein derartiges Gefäß bei sich hatte, hofft die Polizei, dass es bei einer Tankstelle aufgefallen ist. Es wird angenommen, dass der Mann das Gebäude über die Garage verließ. Die Videoaufnahmen der dortigen Kameras müssen erst ausgewertet werden.

Student als Täter

Über das Motiv könnten nach wie vor nur Vermutungen angestellt werden, erklärt Ermittler René Peter. "Wir gehen davon aus, dass der Gesuchte ein Student ist, da er offenbar einen Bezug zur Uni und zu den Spinden im Untergeschoss hatte, die hauptsächlich von Studierenden benutzt werden." Die Polizei hofft, dass der Mann ein "Gewohnheitsmensch war und an seiner Kleidung und Statur wieder erkannt wird."

Der nächtliche Brand hat in der Biologie- und der WU-Bibliothek rund 60.000 Bücher zerstört oder unbenutzbar gemacht. Beträchtliche Schäden gab es auch im Gang des Untergeschosses, weshalb der Uni-Betrieb teilweise verlegt werden musste. (DER STANDARD, Printausgabe, 23.12.2005)