Infografik: Forschungsgruppe Seibersdorf

Grafik: Der Standard

Wien - Der Showdown bahnt sich im Forschungszentrum Seibersdorf an. Grund sind die so offen, wie schon lange nicht zutage tretenden Meinungsverschiedenheiten zwischen den Eigentümervertretern in Infrastrukturministerium und Industrie über Führungspersonal und Unternehmensstrategie für Österreichs größtes außeruniversitäres Forschungsinstitut.

Von der sich noch vor wenigen Tagen abzeichnenden Einigung war am Freitag, also eine Woche vor der zwecks finaler Entscheidung anberaumten außertourlichen Aufsichtsratssitzung, so gut wie nichts mehr übrig.

Gestritten wird über alles. Allgemeiner Tenor war am Freitag um 16 Uhr: Die derzeit aus Erich Gornik (wissenschaftliche Leitung) und Helmut Krünes (Finanzen) bestehende Geschäftsführung soll nun doch um einen Kopf größer werden.

"Angewandter Forscher"

Was der können soll, ist freilich offen. Offiziell ist seit der Analyse durch das Management Zentrum St. Gallen von einem Vertriebs- und Marketingmann die Rede, der verstärkt Auftragsforschung anwerben soll. Im Infrastrukturministerium von Vizekanzler Hubert Gorbach wünscht man sich jedoch einen "angewandten Forscher", wie es ein ebenfalls mit einem solchen liebäugelnden Industrievertreter formuliert.

Da allein dieses Ansinnen einen Affront für Gornik darstellen muss, wäre dessen Reaktion kalkulierbar: Der TU-Professor würde wohl alles hinschmeißen und seinen Chefsessel in den Austrian Research Centers (ARC) räumen.

Selbiger wäre damit frei für einen anderen TU-Professor: Siegfried Selberherr. Der wurde vom Ministerium zwar (offiziell) noch nicht gefragt, wird aber als Wunschkandidat von Sektionschef Andreas Reichhardt kolportiert.

"Was bitte, soll noch ein Forscher in der Geschäftsführung bringen?" fragt ein anderer Aktionärsvertreter aus dem Industrie-Syndikat, der nicht genannt werden will, verärgert. "Das ist ein perfider Plan, der nur die Krise verlängert. Wenn Gornik weg geht, kommt doch kein Forscher internationalen Formats mehr nach Seibersdorf."

Ernste Lage

Ob Vizekanzler Gorbach und Aufsichtsratspräsident Richard Schenz die Krisenstimmung bei ihrem Treffen am Montag entschärfen können, ist offen. "Rasches Handeln wäre extrem wichtig, denn Seibersdorf ist in einer ernsthaften Situation", sagt ein Mitglied der Reformarbeitsgruppe. Das sei augenscheinlich nicht allen Beteiligten klar.

Klar ist einigen Mitgliedern des Industrie-Syndikats allerdings, dass sie nicht ewig zuschauen werden. "Die Treppe muss von oben gekehrt werden", stellt einer klar. Das bedeute eine neue Finanzstruktur, ein striktes Berichts- und Controllingwesen mit voller Verantwortlichkeit der Holding-Gesellschaften, die in Profitcenter zurückgebaut werden. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26./27.11.2005)