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STANDARD: Die Bawag/Refco-Affäre hat einiges aufgezeigt, was in Krisen so schief laufen kann. Erst kein Kommentar zu Kundenbeziehungen, dann eine eher beschwichtigende Pressekonferenz, nach fünf Tagen nähere Informationen.

Bruckner: Binnen zwei, drei Stunden entscheidet sich im akuten Fall, wie ich eine Krise proaktiv bewältigen kann. Brauche ich Tage, um eine Kommunikationsstrategie zu finden, habe ich schon einen großen Nachteil.

STANDARD: Ich glaube nicht, dass die Bawag-Spitze sehr viele Möglichkeiten zur Entscheidung hatte. Die wirkte ja selbst von der Geschichte überrollt.

Bruckner: Natürlich hat die Bawag dieses Problem. In solchen Stress-Situationen auch noch die richtigen Kommunikationsentscheidungen zu treffen ist besonders schwierig. Es ist daher empfehlenswert, sich auf Krisenfälle vorzubereiten. Klassisches Beispiel für sehr gute Krisenkommunikation im Fall eines ebenso großen GAU war der Absturz einer Maschine der Lauda Air. Da ist es Niki Lauda binnen kurzer Zeit gelungen, die Themenführerschaft in die Hand zu bekommen, indem er selbst alle zentralen Informationen weitergab.

STANDARD: Einen Flugzeugabsturz in Südostasien recherchieren vielleicht etwas weniger internationale Journalisten vom "Wall Street Journal" abwärts. Hätte die Bawag gleich alles offen legen sollen bis hin zum ehemaligen Bawag-Mann, der die Kontakte eingefädelt haben soll, und zum Sohn ihres Exgeneraldirektors?

Bruckner: Zwischen diesen Punkten und dem, was tatsächlich kommuniziert wurde, gibt es schon noch Spielraum. Die Erfahrung zeigt: Die Hoffnung, dass etwas unentdeckt bleibt, ist gering. Gebe ich die Informationen heraus, kann ich wenigstens noch den Zeitpunkt bestimmen. Also sollte ich offensiv möglichst viele Informationen rasch und transparent weitergeben. Auch wenn es auf den ersten Blick aussieht, als ob ich das Unternehmen schädige.

STANDARD: Also im Krisenfall gleich Hosen runter?

Bruckner: Je mehr ich an einem Tag weitergebe, desto weniger können später immer neue Fakten auftauchen und die Geschichte prolongieren. Dass etwa die Finanzmarktaufsicht früher prüft, kann die Bawag bekannt geben, ohne dass ihr ein Zacken aus der Krone fällt.

STANDARD: Das ist psychologisch viel verlangt, hier etwa vom Bawag-Vorstand.

Bruckner: Daher ist es extrem wichtig, Krisenfälle vorzubereiten und einen Öffentlichkeitsarbeiter direkt beim Vorstand anzusiedeln, dessen Beratung auch gehört wird.

STANDARD: Wo haben Sie als PR-Experte Krisenkommunikation schon vorgehüpft?

Bruckner: Wir haben für eine Reihe von Unternehmen Vorsorgekonzepte erstellt und zum Teil auch in akuten Krisenfällen betreut. Ich kann Ihnen aber keine Namen nennen, das sind streng vertrauliche Angelegenheiten. (Harald Fidler/DER STANDARD, Printausgabe, 27.10.2005)

Im Folgenden die Langfassung des Interviews mit Christoph Bruckner.

STANDARD: Die Bawag/Refco-Geschichte hat einiges aufgezeigt, was in Krisen so schief laufen kann. Erst kein Kommentar zu Kundenbeziehungen, dann eine eher beschwichtigende Pressekonferenz, dann nach fünf Tagen nähere Informationen.

Bruckner: Binnen zwei, drei Stunden entscheidet sich im akuten Fall, wie ich eine Krise proaktiv bewältigen kann. Brauche ich Tage, um eine Kommunikationsstrategie zu finden, habe ich schon einen großen Nachteil.

STANDARD: Ich glaube nicht, dass die Bawag-Spitze sehr viele Möglichkeiten zur Entscheidung hatte. Die wirkte ja selbst von der Geschichte überrollt.

Bruckner: Natürlich hat die Bawag dieses Problem. In solchen Stresssituationen auch noch die richtigen Kommunikationsentscheidungen zu treffen ist besonders schwierig. Es ist daher empfehlenswert, sich auf Krisenfälle vorzubereiten. Klassisches Beispiel für sehr gute Krisenkommunikation im Fall eines ebenso großen Gaus war der Absturz einer Maschine der Lauda Air. Da ist es Niki Lauda binnen kurzer Zeit gelungen, die Themenführerschaft in die Hand zu bekommen, indem er selbst alle zentralen Informationen weitergab. Auf der Bawag-Homepage sehen sie zu Refco genau drei Pressemeldungen, obwohl tagtäglich neue Informationen aus den verschiedensten Quellen auftauchen.

STANDARD: Zwischen einem Flugzeugabsturz im Wald irgendwo in Südostasien und der Pleite einer großen US-Finanzgruppe bestehen aber doch Unterschiede: Vom "Wall Street Journal" abwärts recherchieren da schon ein paar Leute mehr und intensiver. Was hätte man als Bawag tun können? Alles gleich offenlegen bis hin zum ehemaligen Bawag-Mann, der die Kontakte eingefädelt haben soll, und zum seit den Karibikgeschäften des Instituts bekannten Sohn des ehemaligen Bawag-Generals?

Bruckner: Zwischen diesen Punkten und dem, was tatsächlich kommuniziert wurde, gibt es schon noch Spielraum. Einen Zeitplan, was wann passiert ist, aber auch die Hintergründe kann ich jedenfalls bei aller gebotenen Vorsicht herausgeben. Die Erfahrung zeigt: Die Hoffnung, dass etwas unentdeckt bleibt, ist gering. Gebe ich die Informationen selbst heraus, kann ich wenigstens noch den Zeitpunkt bestimmen. Also sollte ich offensiv möglichst viele Informationen rasch und transparent weitergeben. Auch wenn es auf den ersten Blick so aussieht, als ob ich das Unternehmen schädige.

STANDARD: Das heißt im Krisenfall: Hosen runter bis zu den Knöcheln?

Bruckner: Sich bewusst machen, dass ich nichts geheim halten kann. Und so rasch wie möglich selbst Informationen sammeln und als Erster weitergeben. Ich muss schaffen, der zentrale Ansprechpartner für diese Causa zu werden. Je mehr ich an einem Tag weitergebe, desto weniger können später immer neue Fakten auftauchen und die Geschichte prolongieren. Dass etwa die Finanzmarktaufsicht schon am Wochenende prüft, könnte die Bawag bekannt geben, ohne dass ihr ein Zacken aus der Krone fällt.

STANDARD: Das ist psychologisch viel verlangt – in diesem Fall von einem Bawag-Vorstand.

Bruckner: Das ist die große Schwierigkeit. So etwas kann ich auch in einer Krise nicht mehr entscheiden. Daher ist es extrem wichtig, solche Krisenfälle vorzubereiten und einen Öffentlichkeitsarbeiter direkt beim Vorstand anzusiedeln, dessen Beratung auch gehört wird. Beschränkt sich der das ganze Jahr auf Presseaussendungen, dann wird er im Krisenfall nicht plötzlich am Ohr des Vorstandsdirektors sitzen können.

STANDARD: Wirtschaftsjournalisten, die schon die Bawag-Krise um die Karibikgeschäfte miterlebt haben, sagen: Die Bank hat seither schon gelernt. Etwa indem sie Journalisten nach der Sondersitzung des Aufsichtsrates ins Sitzungszimmer ließ.

Bruckner: Ich kenne ein anderes großes Finanzunternehmen, wo ein Öffentlichkeitsbeauftragter laufend im Vorstand sitzt und jede Entscheidung auf die Bedeutung für Stakeholder, Interessensgruppen, für die Öffentlichkeit überprüft. Den Eindruck habe ich von der Bawag nicht.

STANDARD: Von dem Refco-Kredit erfuhr zunächst nicht einmal der Aufsichtsrat. Ob man da den PR-Mann konsultiert hätte?

Bruckner: Ich habe den Eindruck von außen, dass die Bawag diese Geschichte proaktiver, vorausschauender hätte darstellen können. Die Fakten kann man nicht wegdiskutieren. Aber wo Medienleute ihre Informationen herbekommen, da hätte die Bawag eine Chance gehabt und hat sie noch, das Heft stärker in die Hand zu nehmen.

STANDARD: Wo haben Sie als PR-Experte Krisenkommunikation schon vorgehüpft?

Bruckner: Wir haben für eine Reihe von Unternehmen Vorsorgekonzepte erstellt und zum Teil auch in akuten Krisenfällen betreut. Ich kann Ihnen aber keine Namen nennen, das sind streng vertrauliche Angelegenheiten.