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Manfred Nowak: "Die ablehnende Haltung der USA gleicht eher der einer Diktatur."

Foto: AP/Trezzini
Bereits im Juni dieses Jahres berichtete der UNO-Sonderberichterstatter Manfred Nowak von "vielen Hinweisen" auf geheime Gefangenlager der USA und prangerte die Weigerung der US-Regierung an, UNO-MitarbeiterInnen den Zugang zu Guantanamo zu gestatten. derStandard.at sprach damals mit dem Leiter des Wiener Ludwig-Boltzmann-
Instituts
für Menschenrechte.

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derStandard.at: Sie haben über "viele Hinweise" berichtet, die Sie als UNO-Sonderberichterstatter darüber erhielten, dass die USA offenbar geheime Gefangenenlager zur Internierung mutmaßlicher Terroristen auf Schiffen betreiben. Welche Hinweise auf Folterungen sind das genau, von wem stammen diese Hinweise und wie glaubhaft sind sie?

Manfred Nowak: Hinweise haben wir von verschiedenster Seite, vor allem die UNO-"Arbeitsgruppe für Verschwundene" berichtet in ihrem letzten offiziellen Bericht über das Phänomen des Verschwindenlassens. Wir nehmen nicht an, dass sich diese Haftstätten oder Lager im Kampf gegen den Terrorismus auf US-Territorium befinden, sondern eher außerhalb. Zum Beispiel im Irak und in Afghanistan, darüber haben wir aber keine vollständigen Informationen. Darüber hinaus gibt es viele Gerüchte. Die kommen zum Teil von NGO´s, von Anwälten oder auch Familienangehörigen, die darüber berichten, dass es auf Schiffen oder anderen Militärstützpunkten der Vereinigten Staaten kleine Gefangenenlager gibt, wo die Leute für eine bestimmte Zeit angehalten und dann weitergebracht werden, sei es nach Guantanomao oder in den Irak, etc.

derStandard.at: Andere Gerüchte besagen auch, dass Mitglieder terroristischer Organisationen NGO´s bewusst in die Irre führende Informationen weitergeben.

Manfred Nowak: Natürlich wird man im Laufe der Untersuchungen mit den verschiedensten Informationen konfrontiert. Deswegen ist es ja auch die übliche Vorgehensweise, die betreffenden Staaten zu kontaktieren und um auf konkrete Untersuchungen basierende Informationen zu den Vorwürfen zu bitten. Es müsste auch im Interesse der Staaten sein, dass die UNO-Berichterstatter den Vorwürfen vor Ort nachgehen können. Wenn es überhaupt keine Kooperation von Seiten der US-Regierung gibt, ist es extrem schwer, Anschuldigungen zu verifizieren oder zu falsifizieren. Wir arbeiten ja in einer offenen und transparenten Weise, hören alle Seiten und versuchen vor allem "first hand information" zu bekommen.

derStandard.at: Mit welchen Argumenten wurden bisherigen Ersuchen um Einladung in Guantanamo nicht entsprochen?

Manfred Nowak: Es gibt keine wirklichen Argumente. Auf der einen Seite sagen die USA, die UNO wäre nicht zuständig, weil es sich hier um einen "Krieg gegen den Terrorismus" handelt. Deswegen würde diese Problematik unter das humanitäre Völkerrecht fallen, die eigentlichen Zuständigen wäre also, wie in jedem Kriegsfall, das IKRK (Internationales Komitee vom Roten Kreuz) und die Menschenrechte würden hier nicht gelten. Das ist aber definitiv falsch. Die Menschenrechte gelten genauso in Kriegsfällen, können aber eingeschränkt werden. Auch in diesem Fall muss man genau untersuchen, ob das eine legitime Einschränkung ist. Dieses Argument haben wir mittlerweile schon entkräftet, es wird aber immer wieder vom Pentagon vorgebracht.

Auf der anderen Seite argumentieren die USA mit dem Sicherheitsaspekt. Ich akzeptiere die Einladung einer Regierung aber nur unter Einhaltung von Mindestkonditionen. Das heißt, ich muss Zugang zu allen Zellen haben und die Häftlinge unter vier Augen interviewen können, sonst hat das alles keinen Sinn.

Das mache ich - nicht zum ersten Mal - auf eigenes Risiko. Auch das Sicherheitsargument ist nicht wirklich stichhaltig. Dahinter steht letztlich natürlich, dass man eine transparente Untersuchung durch die Vereinten Nationen nicht gerne hat. Vielleicht könnte ja etwas ans Tageslicht kommen, das ist aber natürlich bisher nur ein Gerücht. Wenn ein Staat aber ständig internationale Untersuchungen ablehnt, dann werden irgendwann einmal Vermutungen laut, dass dieser Staat etwas zu verbergen hat.

derStandard.at: Was dem Image der USA ja bereits nachhaltig schadet.

Manfred Nowak: Natürlich, vor allem einer demokratischen Regierung schadet das. Denn diese ablehnende Haltung gleicht eher der einer Diktatur. Die öffentliche Meinung schwenkt mittlerweile auch innerhalb der Staaten selbst. Sogar in den Reihen der Republikaner werden die Foltervorwürfe zunehmend zu einem Imageproblem, das ernst genommen wird. Kongressabgeordnete haben eine unabhängige Untersuchung gefordert, da ist die UNO das beste Gremium. Auch die EU hat bereits deutlichen Druck ausgeübt, dass die UNO-Untersuchung endlich zugelassen wird.

derStandard.at: Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass die USA nach drei Jahren Hinhaltetaktik doch noch UNO-Berichterstatter nach Guantanamo lassen?

Manfred Nowak: Ich glaube es nach wie vor. Wir sind auf alle Fälle entschlossen, unsere Untersuchung durchzuführen, ob wir hineingelassen werden oder nicht. Wir bekommen "firsthand informations" auch über andere Wege, zum Beispiel über Freigelassene, Menschenrechtsgruppen oder über Dokumente, die die USA bereits auf Basis ihrer eigenen Gesetze veröffentlichen mussten. Eine definitive Absage halten wir ja nicht in Händen, wir gehen davon aus, dass wir in der nächsten Zeit eine Antwort bekommen. Diese Antwort kann immer noch ein "Ja, aber" sein. Das müssen wir uns dann anschauen.