... Denn im Gegensatz zu ihren Kollegen in den Bundesländern sitzt bei den Polizisten in Wien der Colt offenbar viel lockerer. Die Schüsse auf einen Amokfahrer vom Sonntag waren das dritte Mal seit Jänner 2004, dass in der Bundeshauptstadt ein gemeingefährlicher Lenker mit der Waffe gestoppt wurde - zweimal endete der Waffengebrauch dabei tödlich.

Blick ins Archiv

Dabei gelten diese Einsätze keinem Wiener Problem, wie ein Blick in die Archive beweist. Betrunkene, Flüchtende oder psychisch Kranke, die wild über die Straßen donnern und die Exekutive ignorieren, gibt es ebenso im Rest von Österreich. Auch in den Städten, wo die Gefahr, dass Unbeteiligte verletzt werden, am größten ist. Allein - dort schießen die Sicherheitskräfte selten bis gar nicht. Sondern fahren, wie Anfang März, einem Sturzbetrunkenen lieber von Krems bis Wien nach, ehe sie ihn verhaften, sobald er seinen Wagen geparkt hat.

Natürlich: Für den einzelnen Polizisten oder Gendarmen ist die Entscheidung immer schwer. Denn wenn ein Amokfahrer Unschuldige über den Haufen fährt, bricht sofort ein öffentlicher Aufschrei los, warum er nicht mit allen Mitteln gestoppt worden ist. Andererseits: Seit 1986 gab es in ganz Österreich vier Tote bei Verfolgungsjagden von gemeingefährlichen Lenkern durch die Exekutive - und dem stehen in Wien zwei erschossene und ein schwer verletzter Amokfahrer in eineinhalb Jahren gegenüber. Vielleicht sollte man in der Bundeshauptstadt die kommende Exekutivfusion zum Anlass nehmen, bei den Kollegen in den Ländern nachzufragen, wie sie es schaffen, solche Ausnahmesituationen unblutig zu beenden. (Michael Möseneder, DER STANDARD – Printausgabe, 10.05.2005)