Wien – Etwa 150 Gewerkschafter säumen die Einfahrt des Museums für angewandte Kunst in Wien. Sie stehen Spalier auf beiden Seiten der Straße, halten breite rote Taferln mit Aufdrucken wie "Betriebsrätinnen", "Feiertagsruhe", "Notstandshilfe", "Altersteilzeit" oder "Kostenlose Berufsmatura" hoch. Dazu kommen noch einige Taferln mit den durchgestrichenen Zahlen 12 und 60: "Gegen den 12-Stunden-Tag" und "Gegen die 60-Stunden-Woche".

Gewerkschafter demonstrieren vor dem Wiener Mak.
Foto: Matthias Cremer

Bei den Demonstranten des ÖGB handelt es sich um eine Art Empfangskomitee. Drinnen werden "100 Jahre Sozialministerium" gefeiert, draußen wird mit 100 Schildern auf ebenso viele "gefährdete soziale Errungenschaften" hingewiesen. Ganz ruhig stehen die Gewerkschafter da und tun ihren Protest auf stumme Weise kund, indem sie einfach nur ihre Taferln halten, während die Gäste des Festakts an ihnen vorbei ins Mak gehen. Reden halten sie keine. Nur einmal gibt es eine Lautsprecherdurchsage. "Strache hat den Hintereingang genommen", verkündet ÖGB-Organisationschef Willi Mernyi.

ÖGB-Organisationschef Willi Mernyi erzählt, dass Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) dem Gespräch mit der Gewerkschaft aus dem Weg gehe und den Hintereingang genommen habe.
Foto: Matthias Cremer

Zum Festakt geladen sind die höchsten Würdenträger der Republik. Justizminister Josef Moser (ÖVP) kommt zu Fuß. Der Chauffeur eines schwarzen BMW bahnt sich seinen Weg vor das Portal, öffnet die Beifahrertür, und die Dritte Nationalratspräsidentin Anneliese Kitzmüller (FPÖ) schreitet hurtig durch die Eingangstür, auf der die aktuelle Sagmeister-Ausstellung "Beauty" angekündigt ist.

Die Dritte Nationalratspräsidentin Anneliese Kitzmüller (FPÖ) auf dem Weg ins Mak.
Foto: Matthias Cremer
Rudolf Hundstorfer (SPÖ): "Was derzeit passiert, kann uns nicht guttun."
Foto: Matthias Cremer

Interviews vor dem Mak

Zwei Gäste bleiben stehen und geben Interviews, bevor sie eintreten: die ehemaligen Sozialminister der SPÖ, Erwin Buchinger und Rudolf Hundstorfer. Letzterer lobt die Demonstranten und deren Taferln, "weil vieles von dem, was hier steht, ist in meiner Zeit passiert, und es wurde im Konsens ausgehandelt". Dann sagt Hundstorfer: "Was derzeit passiert, kann uns nicht guttun." Buchinger betont die Wichtigkeit des sozialen Dialogs und dass die 100 Jahre des Sozialministeriums geprägt waren "von der Arbeit an den gesellschaftlichen Bruchlinien".

Festakt im Museum

Im säulenumrahmten Innenhof des Mak hat die Gesellschaft inzwischen Platz genommen. In ihrer Eröffnungsrede verliert Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) kein Wort über die Demonstration vor dem Museum. Sie lobt die Errungenschaften des Sozialministeriums und geht auf dessen lange Geschichte ein. Auch sagt sie, dass sie die nachhaltige Finanzierbarkeit des österreichischen Sozialsystems sicherstellen möchte.

Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ): "Die nachhaltige Finanzierbarkeit des Sozialsystems muss gesichert werden."

Bundespräsident Alexander Van der Bellen sagt in einer Videobotschaft: "Stolz auf das Erreichte zu sein heißt auch, große Verantwortung für die Zukunft zu tragen."

Das Sozialministerium feiert seinen 100. Geburtstag.
APA

Widerstand auch online – gegen die Krankenkassenreform

Auch in den Social Media macht die Gewerkschaft seit längerem gegen diverse Regierungsvorhaben mobil. Rund um die Krankenkassenreform, die eine Schwächung der Arbeitnehmervertreter bringt, wird aktuell in einem als "Faktencheck" bezeichneten Beitrag die Mitsprache der Arbeitgeber in der Selbstverwaltung seit dem 19. Jahrhundert thematisiert. Nachzulesen ist in dem von der Gruppe "Mein Herz für ein soziales Österreich" gestalteten Beitrag, dass es selbst während des Ständestaats ein Verhältnis von 2:1 zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern gegeben habe.

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Als Informationseigentümer im Impressum der Gruppe scheint die Gewerkschaft der Privatangestellten auf. GPA-Chefin Barbara Teiber postete dazu: "Sogar im autoritären Ständestaat 1935 hatten die ArbeitnehmerInnen mehr Mitsprache in ihrer Krankenkasse, als sie nach der schwarz-blauen SV-Reform haben sollen." (Aaron Brüstle, 5.11.2018)