Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) kündigte eine fünfwöchige Begutachtung des Papiers an.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) betonte bei der Präsentation, dass dieses "Papier in anderen Regierungskonstellationen nicht möglich gewesen" wäre.

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Wien – Unter dem Titel "#mission2030" hat die Regierung am Dienstag in Wien ihre Klima- und Energiestrategie präsentiert. "Die Kritik im Vorfeld zeigt, dass wir einen guten und konstruktiven Weg der Mitte gewählt haben", sagte Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) bei der Vorstellung des rund 60 Seiten umfassenden Papiers, das vor allem den Weg zur Erreichung der 2030-Klimaziele aufzeigen soll.

Die Pressekonferenz zur Klimastrategie in voller Länge.
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Das Jahr 2030 ist die nächste festgelegte Etappe zur Dekarbonisierung, die Ziele dafür wurden von der EU festgelegt: Für Österreich bedeutet es, bis dahin eine CO2-Emissionsreduktion um 36 Prozent gegenüber 2005 (für Emissionsquellen außerhalb des Emissionshandels) zu erreichen – bisher wurden acht Prozent geschafft. Unter anderem mit 100 Prozent Strom aus erneuerbarer Energie bis 2030 will man diesem Ziel "maßgeblich näherkommen", sagte Köstinger. Bei Wärme sollen 100 Prozent bis 2050, dem langfristigen Ziel der Klimastrategie aufgrund des Pariser Klimaabkommens, erreicht werden, auch der Verkehr soll bis dahin CO2-neutral werden.

Maßnahmen bei Eigenstrom und Ölheizungen

Köstinger und Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) stellten dafür auch die bereits seit einigen Tagen bekannten "Leuchttürme" vor: Diese umfassen zehn Maßnahmen, darunter die "E-Mobilitätsoffensive" und die "100.000-Dächer-Photovoltaik". Hofer betonte, dass dieses "Papier in anderen Regierungskonstellationen nicht möglich gewesen" wäre. Das größte Klimaschutzunternehmen sei die ÖBB, so der Minister in Hinblick auf 14 Milliarden Euro, die in den kommenden Jahren investiert werden sollen.

Zudem soll die Sanierungsquote um zwei Prozent erhöht werden, die Eigenstromsteuer wird gestrichen, ab 2020 wird es keine Ölheizungen mehr in Neubauten geben, laut Köstinger aber auch keine "neuen Steuern und Belastungen". Dafür soll das "Förder- und Abgabensystem auf die Erreichung der Klimaziele hin evaluiert werden". Was den Verkehr betrifft – den Hauptverursacher von CO2 –, sagte Hofer, dass "2,5 Prozent Zulassungsquote bei Elektrofahrzeugen zwar viel, aber nicht genug" seien, er sei aber "überzeugt, dass sich vieles verändern wird".

"Verlorene Jahre für den Klimaschutz".

Die Klimaziele sollen jetzt unter Einbindung der Stakeholder konkretisiert werden. Köstinger kündigte eine fünfwochige Begutachtung an, bei denen Stakeholder in mehreren Veranstaltungen eingebunden werden sollen. Die Ziele werden jedenfalls noch diskutiert – und auch die Bürger sollen sich per mission2030.bmnt.gv.at einbringen, die endgültige Strategie soll Anfang Juni vorliegen.

Weitere Kritik an den Plänen der Regierung folgte gleich nach der Pressekonferenz in der neuen WU: "Konkrete Ziele gibt nur noch für Verkehr und Gebäude", sagte Johannes Wahlmüller von Global 2000 zu den fehlenden CO2-Reduktionszielen in den anderen Sektoren wie etwa Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft. 700.000 Ölheizungen sei der Istbestand an Ölheizungen, hier erst 2025 mit dem Abbau dieser zu beginnen, seien "sieben verlorene Jahre für den Klimaschutz".

CO2-Mindestpreis als Lenkungsinstrument angepeilt

Bei einer Podiumsdiskussion im Anschluss an die Präsentation kündigte Köstinger an, sich für einen CO2-Mindestpreis auf europäischer Ebene starkmachen zu wollen. "Kostenwahrheit" werde das Schlüsselwort der Zukunft sein, auch die nächste Steuerreform werde maßgeblich auf eine CO2-Reduktion abzielen.

Davor hatte Verbund-Generaldirektor Wolfgang Anzengruber für mehr Kostenwahrheit in den Kalkulationen plädiert, samt Aufnahme eines realistischen CO2-Preises in die Kalkulationen – und dafür erhielt er vom 250-köpfigen Auditorium an der Wirtschaftsuniversität Wien auch kräftigen Applaus. Niemand würde ein AKW bauen, wenn es Kostenwahrheit gäbe. Es gehe um Faktoren bis hin zu Gesundheits- und anderen Folgekosten. Auch eine Ölproduktion unter militärischer Aufsicht koste etwas, auch die Atommülllagerung. Wolle man wirklich mit Kostenwahrheit agieren, "dann gehört auch CO2 dazu – egal wie wir das ausgestalten".

Gratiszuteilungen bis 2030

Ein "CO2-Mindestpreis auf europäischer Ebene" wird im 62-seitigen Kompendium zur Klimastrategie unter den "notwendigen ökonomischen Rahmenbedingungen" genannt. Die Umsetzung eines CO2-Mindestpreises könne das Emissionshandelssystem (ETS) der EU ergänzen, heißt es darin. Die Höhe des Preises müsse so gewählt werden, dass eine ausreichende Lenkungswirkung erreicht werde, also ein Brennstoffwechsel in der Stromerzeugung weg von der CO2-intensive Kohle.

Die ETS-Auktionserlöse in Österreich sollten vorrangig für klimarelevante Maßnahmen verwendet werden, also etwa für Low-Carbon-Technologien in energieintensiven Industrien. Und die effizientesten 10 Prozent der Carbon-Leakage-gefährdeten Industrieanlagen sollten – damit sie nicht abwandern – bis 2030 Gratiszuteilungen im Ausmaß von 100 Prozent erhalten, heißt es im Strategiegiepapier.

Anzengruber begrüßte, dass der Ansatz bei der Klima- und Energiestrategie der Regierung sektorübergreifend erfolge und "nicht so eindimensional wie früher", als allein der Strom im Fokus gestanden sei. Jetzt würden auch der Mobilitätsbereich und Wärme einbezogen. Wichtig sei auch eine technologieoffene Diskussion und ausreichend Raum für Forschung. Er sehe die Strategie als ein "Wirtschaftspapier" für viel Innovationen und Unternehmergeist. Die Umsetzung müsse aber in einem Wettbewerbsumfeld erfolgen.

Greenpeace: "Unzureichend"

Durchwegs mit Kritik haben die Umweltschutz-NGOs und die Oppositionsparteien SPÖ und Neos auf die Klima- und Energiestrategie reagiert. Wie schon im Vorfeld geäußert, würden im Regierungsvorschlag etwa konkrete Zeitpläne fehlen, wie auch die Frage nach der Projektfinanzierung ungeklärt sei. Positiver äußerte sich die Arbeiterkammer, die im Vorschlag Chancen erkannte.

Als "unzureichend" bezeichnete Greenpeace das Ziel, die Treibhausgase bis 2030 um 36 Prozent zu reduzieren, wobei die in der Strategie enthaltenen Maßnahmen selbst dafür nicht reichen würden. Die Regierung verzichte zudem insgesamt auf Ziele, Zeitpläne, Maßnahmen, Zuständigkeiten und vor allem Finanzierung.

"Trägt die Handschrift von Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung"

Die NGO Global 2000 vermisste ebenfalls die Konkretisierung der im Regierungsprogramm enthaltenen Maßnahmen. "Es braucht jetzt in der Konsultation eine komplette Überarbeitung, wenn daraus noch etwas Sinnvolles werden soll", kommentierte deren Klima- und Energiesprecher Johannes Wahlmüller. Unisono stellten beide Organisationen fest, dass konkrete, nach Sektoren aufgeteilte Ziele um Treibhausgase zu reduzieren nur in den Bereichen Verkehr und Gebäude vorliegen.

"Der Entwurf enthält keinen klaren Fahrplan wie die EU-Ziele erreicht werden sollen und fällt damit auch in diesem Test durch. Wirtschaftslobbyisten haben für ihre Klientel offenbar riesige Löcher in den Plan geschossen", kritisierte Wahlmüller weiter. "Die Klimastrategie trägt klar die Handschrift von Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung", stellte Adam Pawloff, Klima- und Energieexperte bei Greenpeace, fest.

"Hübsch verpackt, wenig konkreter Inhalt, viel heiße Luft. In dieser Form ist die neue Strategie eine PR-Broschüre, die Österreich beim Klimaschutz weiter zurückfallen lässt", war die erste Reaktion von WWF-Klimasprecher Karl Schellmann. Positiv sei das Bekenntnis zum "umwelt- und naturverträglichen Ausbau der Energiewende", mit der eine WWF-Forderung aufgegriffen werde, die aber "mit Leben erfüllt werden" müsse.

Arbeiterkammer sieht "Chance"

Dass sich die Regierung im Entwurf "ganz klar zum Abschied von Kohle, Öl und Gas bis 2050" bekennt, bezeichnete die Arbeiterkammer als Chance. Eine solche sei auch das geplante neue Energiegesetz, das das Ökostromgesetz ablösen soll, da so die Kosten der Energiewende gerechter verteilt werden könnten, so AK-Direktor Christoph Klein. Ebenso gab es vonseiten der AK Lob, dass man über die EU-Vorgaben hinaus plane, fehlen würden indes "Anreize im Energieeffizienzgesetz, die Unternehmen zu spürbaren Energieeffizienzmaßnahmen bringen."

Opposition vermisst Budget

Keine positiven Aspekte wurden vonseiten der Opposition festgestellt: "Die vielen 'schönen' Ankündigungen halten der Budgetrealität schlicht und ergreifend nicht stand", äußerte sich etwa SPÖ-Umweltsprecher Klaus Feichtinger über die nun vorliegende Strategie.

Eine Budgetierung der Pläne vermisste auch Neos-Umweltsprecher Michael Bernhard. Man brauche eine sozial-ökologische Steuerreform, "die im Kern eine aufkommensneutrale, wirtschaftsfreundliche CO2-Steuer beinhaltet", äußerte Bernhard eine auch von den NGOs mitgetragene Forderung. Damit könnt man Innovation befeuern, den Faktor Arbeit entlasten und Arbeitsplätze schaffen, erneuerbare Energien fördern und energiepolitische Abhängigkeiten verringern. "Eine ausgeschmückte Version der Kapiteln 'Umwelt' und 'Energie' des Regierungsprogramms", nannte die Umweltsprecherin der Liste Pilz, Martha Bißmann, die insgesamt in den Grundkonsens der Kritik einstimmte. (APA, 3.4.2018)