Wien – Die alte Regierung aus SPÖ und ÖVP ist daran gescheitert: Nun wird am 3. April eine Energie- und Klimastrategie vorgelegt, die dem STANDARD vorab zugespielt wurde. Bis Juni soll ein Konsultationsprozess folgen, und vor dem Sommer möchte die Regierung eine finale Fassung beschließen. Klimaexperten fordern schon länger einen Masterplan, wie Österreich die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens umsetzen will.

Möchte Österreich das Klimaabkommen erfüllen, wird es die Emissionen zurückfahren müssen.
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Die Zeit drängt: Großzügig gerechnet hat Österreich – wenn die Emissionen auf heutigem Niveau bleiben würden – sein Budget spätestens 2035 völlig aufgebraucht, rechnete Klimaexperte Karl Steininger vor. Zwar gibt die Strategie das Ziel einer Dekarbonisierung bis 2050 vor, schnelle Schritte lässt eine Sichtung der vorläufigen Version der Klima- und Energiestrategie nicht vermuten. Fristen, Zwischenetappen für Evaluierungen oder konkrete Zahlen, um die zahlreichen Willensbekundungen zu finanzieren, finden sich darin nicht. Auch eine wissenschaftliche Begleitung des Prozesses wurde nicht verankert.

Wirtschaftliche Hintertür

Sehr wohl verankert ist in der vorliegenden Fassung allerdings eine Hintertür für die Regierung: Bei der regelmäßigen Evaluierung müssten "geänderte externe Faktoren" berücksichtigt werden, heißt es am Ende des Papiers. Zum Beispiel: "Reaktion auf geänderte Rahmenbedingungen" wie die Wirtschaftslage oder die "Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen". Die schwammigen Vorgaben der Klimastrategie könnten also, sollte die Regierung wirtschaftlichen Bedarf sehen, noch einmal abgeschwächt werden.

Ein definitives Bekenntnis gibt es dagegen zur "Einhaltung der budgetären Obergrenzen" des Bundesfinanzrahmens – und der sieht bis 2022 sinkende Mittel im Umweltbereich vor.

Im Ministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus betont man, dass der dem STANDARD vorliegende Entwurf bereits mehrfach überarbeitet worden sei. Darüber hinaus will ein Sprecher von Ministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) gar nichts zur Klimastrategie sagen – er verweist auf die Präsentation des Papiers am Dienstag.

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MOBILITÄT

Der Verkehrssektor ist einer der Hauptverursacher für Treibhausgasemissionen. 45 Prozent der Emissionen werden laut Nachhaltigkeitsministerium bereits durch Mobilität und Verkehr verursacht.

So wird der schienengebundene öffentliche Verkehr im Papier auch als ein "Leuchtturmprojekt" bezeichnet. Ein Widerspruch zum Budget des Infrastrukturministeriums, in dem sich kaum nennenswerte Erhöhungen finden. In den kommenden zwei Jahren ist im Verkehrsbudget ein Betrag von rund 230 Millionen Euro jährlich einzusparen; davon entfallen an die 150 Millionen Euro auf die ÖBB. Auch wenn diese Einsparungen kaum spürbar sein werden, ist mit diesen Vorgaben von einem expliziten Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs nicht die Rede.

Ein zweiter Bereich ist die Förderung der E-Mobilität. Dafür soll die Ladeinfrastruktur ausgebaut werden. Budget und Ausmaß bleibt der Text schuldig. Bis 2030 werde eine "Schwerpunktverschiebung" zu emissionsfreien Pkws und leichten Nutzfahrzeugen angestrebt, heißt es. Dazu werden – wie bereits im Regierungsprogramm – steuerliche Anreize angekündigt, Details fehlen.

Wie DER STANDARD berichtete, soll der Radverkehr bis 2025 auf 13 Prozent verdoppelt werden. Zugpferd sollen die Städte sein. Laut Experten scheiterte eine Steigerung bisher auch am guten öffentlichen Verkehrsnetz.

Der Bau der dritten Piste des Flughafens Schwechat steht diametral zur Erreichung der Pariser Klimaziele. Die Genehmigung wurde von der Regierung in dieser Woche positiv aufgenommen. In dem Entwurf ist jedoch zu lesen: "Neue Investitionen in langlebige Infrastrukturvorhaben, deren Nutzung fossile Energie bedingt, sind zu vermeiden, da sie der Erreichung von Klima- und Energiezielen entgegenstehen und volkswirtschaftlich kontraproduktiv sind."

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GEBÄUDE

Häuser, die nach 2020 errichtet werden, sollen Niedrigstenergiestandards erfüllen – die Vorgabe ist ambitioniert und eine der wenigen handfesten Maßnahmen im Strategiepapier. Allerdings wird dort auch darauf verwiesen, dass dieses Ziel ohnehin durch eine EU-Richtlinie vorgegeben wird.

Gleichzeitig wurden die Mittel für den Sanierungsscheck in den letzten Jahren stets gekürzt. Für Sanierungen soll es "im Rahmen der nächsten Steuerreform" steuerliche Erleichterungen geben. Wohnungseigentums- und Mietrechtsgesetz sollen angepasst werden, um Sanierungen zu erleichtern – wie genau, wird im Papier nicht ausgeführt.

Für Änderungen im Baurecht muss sich das Ministerium allerdings erst mit den Bundesländern einigen. Das kann erfahrungsgemäß einige Zeit dauern. Bei der Vergabe von Wohnbauförderungen beziehungsweise bei Baugenehmigungen soll – ebenfalls in Zusammenarbeit mit den Ländern – eine umfassende Energieberatung vorgeschrieben werden.

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BILDUNG

Die Regierung will "entlang der gesamten Bildungskette" ansetzen, damit die Nachfrage nach "klimafreundlichen und energieeffizienten Produkten" steigt. Die Rede ist von Mobilisierungskampagnen wie "zur Abfalltrennung in den 80er-Jahren". Außerdem soll Klimaschutz in den Lehrplänen verankert werden – wie genau und bis wann das passieren soll, wird nicht erwähnt.

Auch aus welchen Töpfen die Finanzierung für die Maßnahmen im Bildungsbereich kommt, ist offen. Insgesamt hat Bildungsminister Heinz Faßmann für 2018 rund 8,82 Milliarden und im Jahr 2019 rund 8,84 Milliarden Euro zur Verfügung. Die Steigerungen werden vor allem für Bezugserhöhungen der Lehrer und einen Mehrbedarf "infolge der Migrationswelle" verwendet werden müssen.

Auch Forschung soll laut Strategiepapier gefördert werden. Österreich soll "im Energiebereich zum Innovationsleader" werden, heißt es, und "Schlüsseltechnologien" vorantreiben. Feste Ziele fehlen auch hier.

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LANDWIRTSCHAFT

Im Bereich der landwirtschaftlichen Produktion sind Emissionsreduktionen dem Strategiepapier zufolge "besonders schwierig darstellbar". Tatsächlich liefert das Umweltbundesamt konkrete Zahlen: Demnach hat der Treibhausgasausstoß in der Landwirtschaft in den vergangenen zwei Jahren zugenommen, insgesamt macht der Sektor mehr als 16 Prozent der Emissionen außerhalb des Emissionshandels aus.

Laut den Autoren herrscht jedoch ein "Zielkonflikt" in puncto Klimaschutz und Landwirtschaft. Gemeint ist damit wohl der Plan der Regierung, Österreich zum Agrarselbstversorger zu machen und der gleichzeitig notwendigen Emissionsreduktion und Adaption an Klimaveränderungen.

Dementsprechend vage bleiben auch die Maßnahmen: Emissionen sollen durch erneuerbare Energien und effizienter Antriebe reduziert werden. Auch der Düngemittelmitteleinsatz soll dabei eine – nicht näher definierte – Rolle spielen sowie die "Optimierung" der Tierhaltung.

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FINANZEN

Geht es nach der Regierung, so soll das fehlende Budget im Umweltbereich wohl durch den Privatsektor ausgebessert werden. Laut dem Papier will Türkis-Blau Anreize setzen, um Investitionen in nachhaltigen Energie-, Gebäude- und Verkehrsprojekten voranzutreiben. Langfristige kohlenstoffintensive Investitionen mit hohen künftigen Übergangskosten gelte es hingegen zu vermeiden. Besonderes Augenmerk liegt im Papier dabei auf sozialem Unternehmertum und Social Crowdfunding.

Im Gegensatz zu vielen anderen Themen ist der Bereich der "grünen Finanzen" in der Klimastrategie einigermaßen konkret formuliert. Die Regierung plant, eine "Green-Finance-Agenda" zu entwickeln, um relevante Finanzinstrumente basierend auf dem Pariser Klimaabkommen zu identifizieren. Zuständig ist das Finanzministerium. Dieses soll in Zusammenarbeit mit dem Umweltministerium und "relevanten Stakeholdern" bis März 2019 überprüfen, ob die Maßnahmen implementiert werden können.

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ENERGIE

Das Ziel von 100 Prozent erneuerbarer Energie bei der Stromaufbringung im Jahr 2030 findet sich auch im Strategiepapier. Das ist gar nicht so ambitioniert, weil Österreich dank der vielen Wasserkraft schon jetzt auf einen Anteil nichtfossiler Energiequellen in der Stromproduktion von mehr als 70 Prozent kommt.

Ausbaupotenzial sieht man vor allem bei Windkraft, Solar und Kleinwasserkraft, mit Abstrichen auch bei Biomasse. Letztere soll, da steuerbar, vor allem als Puffer eingesetzt werden, wenn der Wind nicht bläst und auch die Sonne nicht scheint.

Den Ausbau der erneuerbaren Energien will man laut dem Strategiepapier vorantreiben, ohne dass wesentlich mehr Geld in die Hand genommen werden muss. Den Weg bereiten soll neues, umfassendes Energiegesetz, wo der Fokus auf Marktprämien und Investitionsförderungen gelegt werden soll. Dieses Gesetz soll spätestens 2020 in Kraft treten und das derzeitige Ökostromgesetz ablösen. (Sebastian Fellner, Nora Laufer, Julia Schilly, Günther Strobl, Luise Ungerboeck, 29.3.2018)