"Da geht es um Menschen, die sterben! Haben Sie überhaupt irgendein Gspür?", schrie Neos-Chef Strolz den Abgeordneten mit hochrotem Kopf entgegen.

Foto: apa / hans punz

SPÖ-Gesundheitssprecherin Rendi-Wagner erklärte die Nationalratssitzung zur Weltpremiere, "weil bislang kein einziges Land der Welt beim Nichtraucherinnenschutz einen Schritt zurück gemacht hat".

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Wien – Beate Hartinger-Klein meldete sich nicht länger als unbedingt nötig zu Wort. Vor einigen Wochen hatte die Gesundheitsministerin (FPÖ) das von der Vorgängerregierung beschlossene Rauchverbot in der Gastronomie, das mit 1. Mai in Kraft treten hätte sollen, noch als "grausliches Gesetz" bezeichnet, mit dem den Wirten die "Gastfreundschaft" verboten würde.

Am Donnerstag wurde das Verbot vom Nationalrat abgesagt, und Hartinger-Klein spulte dort in etwas mehr als einer Minute zwei Argumente für die Novelle ab: Mit dem Gesetz würde schließlich der Jugendschutz verbessert (an unter 18-Jährige dürfen etwa keine Zigaretten mehr verkauft werden) – und Raucher seien Suchtkranke, diese dürften nicht ausgegrenzt werden.

DER STANDARD

Der Kurzwortmeldung der Gesundheitsministerin ging eine Debatte voraus, der es nie an Lebendigkeit, manchmal allerdings an Stil fehlte.

Lacher für Lungenkrebs

Neos-Chef Matthias Strolz' Rede wurde etwa von launigen Zwischenrufen und Gelächter begleitet, als er den Brief einer Frau vorlas, deren Mutter kürzlich an Lungenkrebs gestorben war. Nach einem sarkastischen "Bravo!"-Ruf aus den Reihen der Regierungsparteien packte Strolz der Zorn: "Da geht es um Menschen, die sterben! Haben Sie überhaupt irgendein Gspür?", schrie er den Abgeordneten mit hochrotem Kopf entgegen. "Ich schäme mich für diesen Berufsstand, wenn Sie solche Entscheidungen treffen, das ist eine Schande!"

Ähnlich hart, wenn auch gefasster, ging SPÖ-Gesundheitssprecherin und Ex-Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner mit den Koalitionsparteien ins Gericht. Sie erklärte die Nationalratssitzung zur Weltpremiere, "weil bislang kein einziges Land der Welt beim Nichtraucherinnenschutz einen Schritt zurück gemacht hat". Gesundheitsministerin Hartinger-Klein attestierte Rendi-Wagner eine verantwortungslose Rhetorik, weil sie Rauchen zum "Spaß" erkläre. Wo dieser "beim Sterben an einem Lungenkarzinom mit Metastasen im Kopf" liege, das könne sie ihr bis heute nicht erklären.

Peter Kolba, Klubobchef der Liste Pilz, warf der Regierung eine "Initiative für mehr Lungenkrebs in Österreich" vor.

Vom Mut des Kompromisses

ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer verwies – wie die meisten türkisen Abgeordneten – auf den gestärkten Jugendschutz, der mit der verlängerten Raucherlaubnis in der Gastronomie einhergeht. "Sie emotionalisieren in die falsche Richtung", warf er der Opposition vor.

Parteikollegin Carmen Jeitler-Cincelli gestand, "keine Freude" mit dem Gesetz zu haben, "gar nicht". Aber in Zeiten hoher Scheidungsraten sei es wichtig, auch in politischen Partnerschaften wie der türkis-blauen Koalition loyal zu sein. Manchmal sei es eben "mutiger, gegen die eigene Überzeugung zu handeln und einen Kompromiss einzugehen".

Konsequent raucherfreundlich argumentierte wie gewohnt die FPÖ: Abgeordneter Peter Wurm bot Rendi-Wagner an, ihr das Gesetz nochmals zu erklären: Raucher würden "weiterhin in Käfighaltung ihr Leben frönen" – gemeint sind die Raucherbereiche in Lokalen, deren Weiterbestand die Regierungsparteien mit der Abstimmung am Donnerstag besiegelten.

ORF

Jene 28 ÖVP-Abgeordneten, die das Rauchverbot 2015 gemeinsam mit der SPÖ beschlossen hatten, erklärten ihren Meinungsschwenk in der Debatte nicht – keiner dieser Mandatare meldete sich zu Wort. Der Arzt und ÖVP-Abgeordnete Josef Smolle, der sich ursprünglich gegen die Aufhebung des Rauchverbots ausgesprochen hatte, blieb sowohl der Debatte als auch der Abstimmung fern. Er hatte die Sitzung nach Angaben des ÖVP-Klubs bereits am Vormittag verlassen. (sefe, APA, 22.3.2018)