Nicht immer agieren Neonazis derart eindeutig wie auf diesem Bild.

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Der grüne Justizsprecher Albert Steinhauser möchte daher eher beim Verhetzungsparagrafen nachbessern.

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SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim stört, dass nur "gröbliches" Verharmlosen strafbar ist.

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Der frühere Leiter des Weisungsrates, Werner Pleischl, sieht keinen Handlungsbedarf beim Verbotsgesetz.

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Wien – Über das Verbotsgesetz ist wieder eine politische Diskussion entbrannt. Nach der Aufregung um die Einstellung eines Verfahrens gegen einen Welser Anwalt hat Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) am Mittwoch die Beauftragung einer Studie durch das deutsche Max-Planck-Institut bekanntgegeben, die klären soll, ob die aktuellen Gesetze nachgeschärft werden müssen.

Der frühere Weisungsratsvorsitzende und Generalprokurator Werner Pleischl (er ist seit Dezember in Pension) hält eine Änderung des Verbotsgesetzes jedenfalls für entbehrlich, das geltende Gesetz sei "völlig ausreichend", wie er zum STANDARD sagt. Zur Erinnerung: Der Weisungsrat vertrat die Rechtsansicht, dass der Anwalt in seinem Plädoyer die NS-Greuel nicht "gröblich verharmlost" hatte, und empfahl dem Ministerium daher, die Rückziehung der Anklage zu veranlassen.

Zwischen Tätern unterscheiden

Laut Pleischl müsse man zwischen Tätern unterscheiden, die mit ihren Aussagen quasi eine "politische Aktion" verbänden, und "Leuten, die in einem völlig anderen Zusammenhang etwas Falsches sagen, ohne damit politische Aussagen treffen zu wollen".

"Ungewöhnlich" war laut dem pensionierten ehemaligen Weisungsratsvorsitzenden das justizinterne Procedere in der Causa: Die Oberstaatsanwaltschaft Linz hat ihren Bericht erst im Ministerium vorgelegt, als sie die Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft Wels bereits genehmigt hatte.

Ohne Rechtsschutzbeauftragten

So kam es, dass die Anklage bereits beim Landesgericht Wels eingebracht war, als das Ministerium seine Entscheidung traf. Warum das wichtig ist? Das Verfahren wurde nicht mehr von der Staatsanwaltschaft eingestellt, sondern vom Gericht – und in diesen Fällen muss der Rechtsschutzbeauftragte des Justizministeriums (quasi als nachgelagerte Kontrollinstanz) nicht verständigt werden.

Kritik von SP-Justizsprecher

Kritik an der Vorgangsweise im Welser Fall übt auch SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim. Er hätte es begrüßt, wenn über Schuld oder Unschuld des Anwalts vom Gericht befunden worden wäre und dem Vorhaben der Staatsanwaltschaft nicht vom Weisungsrat beziehungsweise dem Minister entgegengetreten worden wäre.

"Dass ein Verteidiger nach umfassender Vorbereitung seines Falles tatsächlich von der Annahme ausgehen könnte, in Mauthausen hätte es keine Gaskammern und Massenvernichtungen gegeben, ist kaum nachvollziehbar", erklärt Jarolim auf Anfrage. "Dies hätte jedenfalls die Gerichtsbarkeit zu klären gehabt."

Diskussion über Verbotsgesetz legitim

Jarolim hält es für "legitim", darüber nachzudenken, ob das Verbotsgesetz um weitere Tatbestände präzisiert oder erweitert werden soll. Als Beispiel nennt er Paragraph 3h, wonach nur das "gröbliche" Verharmlosen nationalsozialistischer Verbrechen gegen die Menschheit strafbar ist. Das führe dazu, dass es bei "kalkuliert eingesetzter Verharmlosung" zu Freisprüchen komme, weil diese eben nicht "gröblich" seien.

Jarolim: "Schon angesichts der gerade in letzter Zeit vermehrt aufkeimenden Aktivitäten mit NS-Hintergrund sollte diesen schon in einem früheren Stadium entgegengetreten werden können, als dies jetzt der Fall ist."

Grüne wollen über Verhetzung reden

Der grüne Justizsprecher Albert Steinhauser hat zwar nichts gegen das Einholen einer externen Expertise zum Verbotsgesetz, glaubt aber, dass es eher bei der Verhetzung und schweren Beleidigung legistischen Nachschärfungsbedarf gibt.

Teile der neonazistischen Szene hätten sich auf das Verbotsgesetz eingestellt und würden ihre Botschaften so verbreiten, dass sie nicht unter Wiederbetätigung fallen. "Das ist oft klassische Hetze rassistischer Art", meint Steinhauser. Daher müsse man schauen, ob hier die Tatbestände klar genug seien.

Vorsicht an den Tag legen

Beim Verbotsgesetz plädiert er generell dafür, "eine gewisse Vorsicht an den Tag zu legen". Er befürchtet, dass sich die Debatte, etwa durch die Freiheitlichen, auch dahin entwickeln könnte, dieses abzuschaffen. Das lehne man aber entschieden ab, sagt der Grünen-Politiker.

Der freiheitliche Justizsprecher Harald Stefan wollte sich auf Anfrage nicht im Detail äußern. Den Vorstoß Brandstetters, das Max-Planck-Institut einzuschalten, hält er für "intelligent". Er halte sehr viel vom deutschen Institut. Nun müsse man aber erst einmal abwarten, welche Vorschläge kommen. Wenn es größere juristische Klarheit gebe, sei das aber sicher für alle Beteiligten gut, meint Stefan.

Keinen Handlungsbedarf beim Verbotsgesetz sehen die Neos, wie Justizsprecher Nikolaus Scherak auf Ö1 erklärte. Das Team Stronach will nun erst einmal das Gutachten abwarten. Die Israelitische Kultusgemeinde sowie das Mauthausen-Komitee würden es begrüßen, wenn der Tatbestand der Wiederbetätigung präzisiert werden würde. (Renate Graber, Günther Oswald, 5.1.2016)