"Für jene, die Asylstatus haben, braucht es spezielle Regelungen", meint Niessl.

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Wien/Eisenstadt – Das Burgenland plant mit Auslaufen der bundesweiten Regelung der Mindestsicherung bei der Sozialhilfe eine Deckelung von etwa 1.500 Euro pro Haushalt sowie mehr Sachleistungen. Spezielle Regelungen soll es für Asylberechtigte geben. Diese sollen einen Teil der Mindestsicherung erst nach dem Erlernen der deutschen Sprache erhalten, wie Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) im APA-Interview erklärte.

"Ursprünglich war es nicht vorgesehen, dass 90.000 Flüchtlinge zu uns kommen, von denen ein wesentlicher Teil Asylstatus hat, und die dann Mindestsicherung bekommen. Es war nicht im Sinne des Gesetzgebers, dass jemand, der in Österreich gearbeitet hat und Mindestsicherung bekommt, mit der großen Anzahl dieser Asylberechtigten gleichgestellt ist. Da braucht es für jene, die Asylstatus haben, auch spezielle Regelungen", sagte Niessl.

Vor allem beim Spracherwerb ortet der Landeshauptmann Handlungsbedarf: "Es ist ja nicht nachvollziehbar, dass eine zweite oder dritte Generation so schlecht Deutsch spricht und keinen Schulabschluss machen kann, weil die Deutschkenntnisse nicht ausreichen. Da hat die Integration in den letzten Jahren versagt, weil nicht genug Wert darauf gelegt wurde, dass die deutsche Sprache im Mittelpunkt der Integration zu stehen hat und die entsprechenden Sozialleistungen darauf abzielen müssen, dass als erstes die Sprache gelernt wird. Deshalb bin ich ein Befürworter, dass nicht die volle Mindestsicherung ausbezahlt wird, sondern dass man sagt, du kriegst Grundversorgung und Sachleistungen, aber deinen Integrationsbonus, den kriegst du dann, wenn du die deutsche Sprache in einem gewissen Ausmaß kannst."

Gegen Ein-Euro-Jobs

Zurückhaltend zeigt sich Niessl bei der Frage der Verpflichtung zu gemeinnütziger Arbeit und sogenannten Ein-Euro-Jobs. "Bei der gemeinnützigen Arbeit muss man aufpassen, dass der Druck am österreichischen Arbeitsmarkt nicht noch größer wird. Wir haben im Augenblick die Situation, dass die Arbeitslosigkeit sehr dramatisch ansteigt. Wenn es hier noch größeren Druck gibt, dann werden noch mehr Menschen arbeitslos werden. Das kann nicht das Ziel sein. Es muss auch ausgeschlossen werden, dass durch gemeinnützige Arbeit Lohn- und Sozialdumping entsteht."

Wegen der steigenden Arbeitslosigkeit in Ostösterreich spricht sich Niessl auch für ein Nachschärfen der Entsenderichtlinie aus. Für ausländische Arbeitskräfte in Österreich sollen demnach keine niedrigeren Lohn- und Sozialversicherungskosten anfallen als für heimische Arbeitnehmer. "Das ist ein Gesetz für Lohn- und Sozialdumping, und ich bin absolut dafür, dass dieses Gesetz von der EU reformiert wird. Hier muss der Grundsatz gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort gelten." Im Zusammenhang mit der Diskussion um eine Anpassung der Familienbeihilfe für Kinder, die nicht mit ihren Eltern nach Österreich gekommen sind und im Ausland leben, spricht sich auch der SPÖ-Landeshauptmann für eine Kürzung aus. "Das versteht kein Mensch, dass die Kinderbeihilfe, die in Österreich bezahlt wird, nach Rumänien, Bulgarien und Ungarn überwiesen wird.

Für Kürzung der Familienbeihilfe für Kinder im Ausland

Laut Niessl sollte die ausbezahlte Familienbeihilfe zumindest auf das jeweilige nationale Niveau reduziert werden. "Man muss auch sehr genau überprüfen, ob diese Kinder dort auch leben." Und auch andere Sozialtransfers ins Ausland sollten laut Niessl geprüft und kontrolliert werden. Mehr Anstrengungen von der EU fordert Niessl beim Schutz der Außengrenzen sowie bei der Besteuerung von Großkonzernen. Es dürfe nicht wieder zu einem "Kontrollverlust an der Grenze" kommen. "Kontrollverlust an der Grenze heißt auch, dass sich die Menschen unwohl und unsicher fühlen und damit enttäuscht sind, und Enttäuschte gehen teilweise nicht zur Wahl oder wählen Protest. Wenn die EU-Außengrenze nicht geschützt wird, muss man die nationalen Grenzen schützen. Es kann ja nicht sein, dass hier der uneingeschränkte Zuzug und Zuwanderung ohne Kontrolle erfolgt. Das führt zu einer massiven Verunsicherung der Menschen."

Die EU müsse im Übrigen darauf achten, dass Großkonzerne Steuern zahlen. "Das ist ein ganz massives Problem, dass große Weltkonzerne Milliarden-Umsätze in Europa machen und 0,02 Prozent Steuer in Irland zahlen. Das führt genauso wie der ungeregelte Zuzug zur Frustration vieler Menschen. Regulierung der Finanzmärkte, Steuergerechtigkeit, Sicherheit, Asyl, Verteilung von Flüchtlingen – das sind Kernaufgaben der Europäischen Union. Bei diesen großen Herausforderungen versagt die Europäische Union teilweise und das führt zu einer großen Enttäuschung und zu einem Wahlverhalten, wie wir es aktuell in vielen Staaten Europas erleben."

Kritik von ÖVP und Grünen

Zu den von Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) getätigten Aussagen bezüglich der Mindestsicherung gab es am Freitag im Burgenland Kritik von ÖVP und Grünen. Die ÖVP forderte den Landeshauptmann zu einer raschen Reform auf. Die Grünen hingegen erklärten, dass das Land nicht ausreichend Deutschkurse für Flüchtlinge anbiete.

Für Niessl ist der Spracherwerb Voraussetzung für die volle Mindestsicherung. Von einer umfassenden Reform der Mindestsicherung sei noch nichts zu sehen, kritisierte ÖVP-Landesparteiobmann Thomas Steiner. Oberösterreich und Niederösterreich hätten hingegen bereits Änderungen beschlossen. Rot-Blau sei gefordert nicht weiter abzuwarten sondern zu handeln.

Die Grüne Landessprecherin Regina Petrik sieht in Sachen Spracherwerb Niessl in der Pflicht: "Solange das Land nicht ausreichende und für die Asylwerber erreichbare Deutschkurse anbietet, ist es unredlich zu fordern, dass solche absolviert werden." Für viele Freiwillige sei es ein "Schlag ins Gesicht", wenn Integrationsleistungen ausschließlich an der Geschwindigkeit des Spracherwerbs gemessen würden.

Stöger: Länder-Verantwortung für Fleckerlteppich

Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) hat am Freitag im Klub der Wirtschaftspublizisten betont, dass die Länder die Verantwortung am "Fleckerlteppich" bei der Mindestsicherung tragen. Er habe sich lange bemüht, aber die einheitliche österreichische Lösung sei an zwei Ländern, Oberösterreich und Niederösterreich, gescheitert. "Diesen Rückschritt halte ich für sehr bedauerlich", so Stöger.

Als Sozialminister könne er aber nicht eingreifen, denn laut Verfassung seien die Bundesländer für "Armenwesen" zuständig. Stöger sprach sich erneut gegen Kürzungen der Mindestsicherung aus. "Jede Kürzung ist armutsgefährdend, aber wir wollen Armut verhindern." Armut in einer Gesellschaft schädige nicht nur die Betroffenen, sondern auch die Wirtschaft. Die Kürzungen würden zu Folgekosten führen, etwa wenn den Kindern keine Bildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten offen stünden. Die Stärken Österreichs seien der soziale Zusammenhalt und der soziale Ausgleich, das sollte man nicht aufgeben. Es liege nun bei den Ländern, eine einheitliche Mindestsicherungs-Lösung zu finden. Die Länder könnten jederzeit gemeinsam ein Gesetz beschließen, ein Entwurf dafür liege vor. Die Länder könnten das ohne den Bund regeln, betonte der Sozialminister.

Bereit, sich einzuschalten

Er sei auch selber dazu bereit, sich wieder einzuschalten: "Wenn die Länder auf mich zukommen und sagen, wir wollen eine österreichische Lösung, dann werde ich mich nicht verschließen." Er habe nach wie vor großes Interesse an einem gemeinsamen Vorgehen. Angesprochen auf die Vorschläge des burgenländischen Landeshauptmanns Hans Niessl (SPÖ), wonach Asylberechtigte im Burgenland einen Teil der Mindestsicherung erst nach dem Erwerb der deutschen Sprache bekommen sollen, meinte Stöger, die Sprache zu lernen sei sehr wichtig. Er bekenne sich dazu, dass von Menschen, die nach Österreich kommen, Integration und Spracherwerb verlangt werde. Er wiederholte seine Forderung nach einem Integrationsjahr für alle Asylberechtigten, in dem sie mit Sprach- und Orientierungskursen, Kompetenzchecks und Arbeitstrainings auf die österreichische Gesellschaft und die Arbeitswelt vorbereitet werden.

Der SPÖ-Politiker betonte die Bedeutung des Asylrechts für eine demokratische Gesellschaft: "Wer das Asylrecht infrage stellt, der stellt sich auch bei Aufklärung und Demokratie ins Abseits". Europa stehe an einem Scheideweg. Der Rechtspopulismus stelle infrage, dass alle Menschen gleich sind – "damit schafft man die Demokratie ab", warnte Stöger. Von den Rechtspopulisten "werden die Ärmeren gegen die Ärmsten ausgespielt". (APA, 25.11.2016)