Werner Zinkl, Präsident der Richtervereinigung: "Am Schluss bleiben die Kosten übrig."

Foto: APA/Fohringer

Wolfgang Brandstetter, Justizminister: Geltende Kronzeugenregelung ist "suboptimal".

Foto: APA/Fohringer

Wien – Werner Zinkl ist seit neun Jahren Präsident der österreichischen Richtervereinigung – mindestens ebenso alt ist die Forderung, die Geschworenengerichtsbarkeit zu reformieren. "Bis jetzt habe ich den politischen Willen nicht gesehen, hier etwas zu verändern. Man muss endlich Nägel mit Köpfen machen. Bisher sah ich immer nur die Nägel", ärgert sich Zinkl im STANDARD-Gespräch.

Jetzt sollen die Köpfe doch noch geliefert werden. Justizminister Wolfgang Brandstetter hat am Sonntag in der ORF-Pressestunde erneut eine Reform angekündigt: "Abschaffung in der jetzigen Form: Ja. Wir können etwas Besseres daraus machen", sagte er. Der Gedanke der Laiengerichtsbarkeit solle nicht verlorengehen.

Zinkl wie Brandstetter bringen das deutsche Modell, also große Schöffenkammern, ins Spiel. "In Deutschland funktioniert das sehr gut", sagt Zinkl. Wo auch Einigkeit herrscht: Beide Juristen wollen vor allem, dass beim Urteil – anders als momentan – auch eine Begründung mitgeliefert wird. "Gerade dort, wo es um sehr hohe Strafen geht, ist die Bekämpfung eines Urteils am schwierigsten", sagt Zinkl. Außer bei Formalfehlern seien die Chancen auf eine erfolgreiche Anfechtung eher gering. Auch Brandstetter meint, dass die "rechtsstaatliche Nachvollziehbarkeit von Urteilen verbessert werden muss".

Nichts hält der Justizminister hingegen davon, bei Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes abweichende Meinungen der Richter (Dissenting Opinions) zu veröffentlichen. "Das ist nicht gescheit." Darunter könnte nämlich die Autorität des Höchstgerichts leiden.

Schutz für Justizwachebeamte

Nachgebessert muss aber bei einem anderen Vorhaben werden. Die Kronzeugenregelung läuft Ende des Jahres aus. Ein Entwurf für eine neue Fassung liege schon beim Koalitionspartner, so Brandstetter, der die geltende Regelung als "suboptimal" bezeichnet. Künftig soll rascher Klarheit herrschen, ob und in welchen Fällen die Kronzeugenregelung angewendet werden kann. Auch ein Rechtsschutz für jene Personen, die eine Kronzeugenregelung in Anspruch nehmen, soll kommen.

Dass Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) vergangene Woche verschärfte Strafbedingungen für Asylwerber vorgestellt hat, findet Brandstetter richtig: Er sei mit Sobotka "auf einer Linie". Er selbst plant Ähnliches: Werden Behörden absichtlich und gezielt in die Irre geführt, um so zu versuchen, sich einen Vorteil zu erschleichen, soll es künftig Strafen bis hin zu Haft geben. Für tätliche Angriffe auf Beamte soll das Strafmaß erhöht werden, denn "das ist kein Kavaliersdelikt". Man müsse die Justizwachebeamten schützen.

Weiters in Planung: Beim Maßnahmenvollzug für geistig abnorme Rechtsbrecher soll auf "forensische Zentren", also therapeutische Einrichtungen, gesetzt werden. Brandstetter: "Wir werden die forensischen Zentren ausbauen und selber betreuen."

"Grenzwertige Situation"

Alles schön und gut antwortet der Richtervertreter, nur: "Es ist leicht, über Reformen zu reden, aber am Schluss bleiben die Kosten übrig." Die Justiz fahre schon jetzt ein Sparprogramm. Eines sei klar: Gibt es keine zusätzlichen Mittel, sollte man "ehrlich sagen: Wir können die Reformen nicht umsetzen, weil sie nicht finanzierbar sind".

Beim Personal herrsche eine "grenzwertige Situation". Zinkl nennt als Beispiel: "Aufgrund der vielen Flüchtlinge wurde beim Militär und bei der Polizei aufgestockt. Im Justizbereich ist nichts zu bemerken. Aber wo kommen die Sachen hin, die von der Polizei geliefert werden? Zu den Gerichten!" Der Zustrom dieser Menschen erfordere "entsprechende Ressourcen. Die fehlen aber". Im Gegenteil: "Wir erfüllen gerade ein Sparprogramm." In den Kanzleien werde Personal abgebaut – neue Richterposten gebe es keine.

Wenig Freude hat Zinkl mit einem älteren Vorschlag des Ministers: TV-Übertragungen bei Urteilsverkündungen. Einerseits sieht er Probleme betreffend die Persönlichkeitsrechte von Täter wie Opfer: "Ich werde dafür ja nicht immer die Zustimmung von allen bekommen." Andererseits fürchtet er, dass dann Videos von Urteilen im Netz kursieren könnten, die vielleicht von einer höheren Instanz längst einkassiert worden sind – kurz: "Das ist ein Unsinn." (Peter Mayr, 9.10.2016)