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Nicola Sturgeon sieht Schottland wieder auf dem Weg zur Abreise.

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Das Brexit-Votum stürzt das Vereinigte Königreich in eine konstitutionelle Krise. Während Wales und England (je mit 53 Prozent) außerhalb der Hauptstadt London für den Austritt aus der EU votierten, sprachen sich Nordirland (56 Prozent) und Schottland (62 Prozent) mehrheitlich für den Verbleib aus.

Die Edinburgher Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon von der nationalistischen SNP nannte es am Freitagvormittag "demokratisch inakzeptabel", dass der Norden des Landes gegen seinen Willen aus der EU gezwungen werde.

Votum "auf Tagesordnung"

21 Monate nach der klaren Ablehnung der Unabhängigkeit mit 55 zu 45 Prozent stehe daher nun für sie eine neue Volksabstimmung "auf der Tagesordnung".

Insider in Schottland halten ein neues Votum bereits innerhalb der kommenden zwei Jahre für möglich. Bisher hatte die als vorsichtig bekannte Spitzenpolitikerin das Agitieren für ein zweites Referendum ihrem Vorgänger Alex Salmond überlassen und auf Meinungsumfragen verwiesen, denen zufolge sich die Mehrheit für die Union mit England nicht bewegt hat.

Zudem hat der Ölpreisverfall der Region um Aberdeen, die Rohstoffhauptstadt Europas, erhebliche Jobverluste und der Edinburgher Regierung deutlich reduzierte Steuereinnahmen beschert. Die wirtschaftliche Grundlage der Unabhängigkeit stünde also womöglich in Zweifel.

Am Finanztropf Londons hängt auch die einstige Unruheprovinz Nordirland. Zu deren Friedensprozess haben neben US-Vermittlern über die Jahrzehnte auch kräftige Zuschüsse aus Brüssel beigetragen. Dennoch gehörten die britische Nordirland-Ministerin Theresa Villiers sowie die protestantische DUP von Ministerpräsidentin Arlene Foster zum Brexit-Lager.

Hingegen herrschte am Freitag im katholisch-republikanisch gesinnten Teil der nordirischen Bevölkerung Empörung. Der Belfaster Vizeregierungschef Martin McGuinness sprach von "absolut gewaltigen" Auswirkungen des Brexit-Votums auf ganz Irland und forderte eine Volksabstimmung über die Vereinigung mit der Republik im Süden: Das sei eine "demokratische Notwendigkeit". Von solch radikalen Schritten war in der Stellungnahme des irischen Premiers Enda Kenny nicht die Rede. Kein Wunder: Die Bürger der Republik könnten sich die wirtschaftlich schwachen Cousins im Norden kaum leisten. (sbo, 24.6.2016)