In einem Schwulenclub in Orlando im US-Bundesstaat Florida sind in der Nacht auf Sonntag Schüsse gefallen.

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50 Menschen wurden getötet, auch der Schütze ist tot.

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Orlandos Polizei vor dem Club Pulse in den Morgenstunden des Sonntags.

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Angehörige einer Spezialeinheiten der Polizei auf dem Weg zum Tatort.

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Omar Mateen veröffentlichte auf seiner Myspace-Seite zahlreiche Fotos.

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Weltweit wird den Opfern von Orlando gedacht. In Berlin wurden vor der US-Botschaft Blumen niedergelegt.

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Orlando – In der Nacht zum Sonntag hat ein Angreifer in einem Nachtclub in Orlando, Florida mindestens 50 Menschen getötet und 53 verletzt. Es ist das schlimmste Schusswaffen-Massaker der amerikanischen Geschichte.

US-Präsident Barack Obama bezeichnete die Tat als "Terroranschlag". "Kein Akt des Terrors oder des Hasses" könne die Lebensweise der Menschen in den USA ändern, sagte Obama am Sonntagabend. Die Behörden hätten noch keine klaren Hinweise auf das Motiv des Mannes.

Anstellung bei Sicherheitsfirma

Bei dem Täter handelt es sich um Omar Saddiqui Mateen, einen in den USA geborenen, in der Kleinstadt Port St. Lucie in Florida lebenden 29-Jährigen, dessen Eltern angeblich aus Afghanistan stammen. Mateen arbeitete bei der privaten Sicherheitsfirma G4S, bestätigte ein Sprecher des britischen Unternehmens in der Nacht auf Montag. Mateen sei seit 2007 für G4S tätig gewesen und habe im Dienst eine Waffe getragen.

Bekenntnis zum IS

Die bei der Tat verwendeten Waffen hatte Mateen kurz vor der Tat legal erworben, obwohl die US-Bundespolizei FBI schon 2013 und 2014 wegen möglicher Verbindungen zu der Jihadistenorganisation "Islamischer Staat" gegen ihn ermittelt hatte. Das FBI bestätigte, dass sich Mateen vor der Tat beim Polizeinotruf 911 zum IS bekannt hat. Er sei aber aktuell nicht unter Beobachtung gestanden.

Der IS selbst hat sich unterdessen zu dem Anschlag bekannt. Wie die IS-Nachrichtenagentur Amaq am Sonntag unter Berufung auf eine nicht genannte Quelle meldete, wurde der "Angriff, der einen Nachtclub für Homosexuelle in Orlando, Florida zum Ziel hatte und mehr als 100 Tote und Verletzte zurückließ, von einem Kämpfer des Islamischen Staats ausgeführt".

Mit Sturmgewehr bewaffnet in Club eingedrungen

Begonnen hatte es zwei Stunden und zwei Minuten nach Mitternacht, als der Mann, bewaffnet mit einem Sturmgewehr vom Typ AR-15 und einer Pistole, in dem beliebten Lokal Pulse im Zentrum Orlandos zu schießen begann. Zu dieser Zeit waren über dreihundert Gäste in dem Club, zu dessen Stammpublikum Schwule und Lesben zählen. Auf dem Programm stand eine "Latin Night", eine Nacht mit lateinamerikanischer Musik.

"Wir tanzten, die Stimmung war auf dem Höhepunkt, und als ich die Schüsse hörte, konnte ich nur daran denken, dass du jetzt in Deckung gehen musst. Stattdessen bin ich nach draußen gerannt", schilderte Joel Figueroa, ein 19-Jähriger aus Orlando. "Überall Schreie, und alle rannten in Richtung Ausgang." Gegen drei Uhr nachts warnte das Management des Clubs auf seiner Facebook-Seite: "Verlasst alle das Pulse!" Um fünf Uhr beschloss eine Sondereinheit der Polizei, das Gebäude zu stürmen, um Geiseln zu befreien.

Bei Befreiungsaktion erschossen

Dabei kam es laut John Mina, dem Polizeichef Orlandos, zu einem Feuergefecht zwischen dem Geiselnehmer und neun Beamten, bei dem der Täter erschossen und ein Polizist am Kopf verletzt wurde – ein Kevlarhelm habe Schlimmeres verhindert.

Nach Darstellung Minas hatte der Angreifer unmittelbar nach seiner Tat zu fliehen versucht. Ein Polizeibeamter, der nicht im Dienst war und sich offenbar als Türsteher etwas dazuverdiente, soll sich ihm in den Weg gestellt haben. Daraufhin soll der Schütze zurück in das Lokal gerannt sein und Geiseln genommen haben. Nach ungefähr drei Stunden habe sich die Polizei zu einer gewaltsamen Befreiung entschieden und dabei mit schwerem Gerät eine verschlossene Tür des Clubs aus den Angeln gehoben.

Widersprüchliche Angaben

Unklar war zunächst, wie viele Menschen starben, als Mateen um 2.02 Uhr zu schießen begann, und wie viele den Versuch der Geiselbefreiung mit ihrem Leben bezahlten. Das Police Department Orlandos sprach von ungefähr 30 Personen, die man durch die Erstürmung des Nachtclubs gerettet habe. Allerdings machten, wie meist nach einem solchen Anschlag, widersprüchliche Angaben und einander in manchen Details widersprechende Darstellungen die Runde. "Der Nebel des Krieges", wie es eine Reporterin der Lokalzeitung "Orlando Sentinel" nannte.

Augenzeugen berichteten, dass viele im Pulse zunächst an einen besonderen Clou glaubten, als die ersten Schüsse fielen. Rosie Feba war zum ersten Mal mit ihrer Freundin im Pulse. Als Mateen zu schießen begann, versuchte sie die alarmierte Begleiterin noch zu beruhigen. "Ich sagte ihr, das kann nicht echt sein, das gehört bestimmt zur Musik. Bis ich sah, dass der Mann wirklich schoss", erzählte sie dem "Orlando Sentinel". Kenneth Melendez rannte wie viele andere ins Freie. Er habe gesehen, wie jemand am Arm blutete, und sich gefragt, ob das alles wirklich passierte oder er es nur träume.

Als Buddy Dyer, der Bürgermeister Orlandos, am Sonntagvormittag an ein Mikrofon trat, rang er um Fassung. "Wir haben es mit etwas zu tun, was wir uns nie vorstellen konnten, mit etwas, was einfach unvorstellbar ist", sagte er. Beim bisher folgenschwersten Massenmord der jüngeren US-Geschichte, dem Amoklauf eines Studenten an der Virginia Tech University in Blacksburg, waren im Jahr 2007 32 Menschen ums Leben gekommen. Im vergangenen Dezember hatte ein radikalisiertes Ehepaar mit pakistanischen Wurzeln bei der Attacke auf eine Kollegenfeier im kalifornischen San Bernardino 14 Personen erschossen.

Festnahme bei Gay-Pride-Parade in Kalifornien

Wenige Stunden nach dem Attentat in Orlando nahm die Polizei im Bundesstaat Kalifornien außerdem einen Mann fest, der nach eigenen Angaben bei der Gay-Pride-Parade von Los Angeles "Schäden anrichten" habe wollen. Diese Angaben nahm die Polizeichefin von Santa Monica, Jacqueline Seabrooks, auf ihrer Twitter-Seite wenig später wieder zurück. Der Mann, in dessen Auto mehrere Gewehre, Munition und verdächtige Chemikalien gefunden wurden, habe nur "zu der Veranstaltung gehen wollen". Wie es zu der Falschauskunft kam, ließ Seabrooks offen. Ein Zusammenhang mit dem Anschlag in Orlando wurde nach bisherigen Angaben der Ermittler nicht festgestellt.

Trump fordert Obama zum Rücktritt auf

US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump holte am Sonntag indessen zum Schlag gegen Präsident Obama aus und forderte ihn zum Rücktritt auf. Der Republikaner kritisierte, dass Obama in seiner Stellungnahme nicht die Worte "radikaler Islamismus" benutzt habe. Trump selbst geriet unter Beschuss, weil seine Äußerungen wie Besserwisserei gedeutet wurden und er zunächst kein Wort für die Hinterbliebenen übrig hatte. (Frank Herrmann aus Washington, red, 13.6.2016)