Die Welt trauert um den Musiker Prince, der Ende April im Alter von 57 Jahren gestorben ist. Todesursache war eine zu hohe Dosis Fentanyl, ein Schmerzmittel. "Alle Schmerzmittel haben gefährliche Nebenwirkungen. Fentanyl ist ein besonders stark wirkendes Mittel, das nicht nur süchtig macht, sondern auch tödliche Nebenwirkungen nach sich ziehen kann", sagt Marcus Weber vom Forschungszentrum Matheon und Mitarbeiter am Zuse-Institut in Berlin.

Weber ist kein Mediziner, er ist Mathematiker. Als Mathematiker hat er in Kooperation mit der Charitè ein Schmerzmittel entwickelt, das auf Fentanyl aufbaut, aber in Tierversuchen keine gefährlichen Nebenwirkungen zeigt. "In Amerika sterben mehr Menschen an starken Schmerzmitteln als an Kokain und Heroin zusammen. Diese hohe Sterblichkeit könnte mit unserem Wirkstoff Fluor-Fentanyl erheblich gesenkt, wenn nicht sogar ganz beseitigt werden", glaubt er.

Die Lösung: In der Arbeitsgruppe von Weber wurde festgestellt, dass man nur ein einziges Wasserstoff-Atom in Fentanyl durch ein Fluor-Atom ersetzen muss, um die gefährlichen Nebenwirkungen, auch die Suchtgefahr auszuschalten. Die Mathematiker konnten auch bestimmen, welches Atom ausgewechselt werden muss. Wäre das Mittel schon auf dem Markt, könnte Prince also noch am Leben sein?

Opioide docken im Körper an

Der Musiker starb wahrscheinlich an Atemnot. Ersticken ist eine der häufigsten Todesursachen nach der Einnahme von Fentanyl oder ähnlichen Mitteln. Der Grund dafür ist, dass die wirksamen Moleküle all dieser sogenannten Opioide im ganzen Körper Rezeptoren finden, an denen sie andocken können. An der schmerzverursachenden Entzündungsstelle helfen sie zwar, an allen anderen Stellen dagegen richten sie teils große Schäden an.

Weber und seine Mitarbeiterin, Olga Scharkoi, haben ausschließlich mit mathematischen Methoden eine Lösung gefunden, wie man bestimmte Wirkstoffe in einer vertretbaren Zeit am Computer simulieren und verändern kann. Langwierige und damit äußerst kostenintensive Laborexperimente bleiben somit erspart. Erst nach dem Rechnerentwurf wurde der Stoff synthetisiert und im Labor getestet.

Mathematisch steckt dabei eine lange Entwicklung dahinter. Zunächst musste ein Computermodell für den richtigen Opioid-Rezeptor gefunden werden. "Wir mussten eine Vorhersage machen, wie diese Struktur aussehen wird, als es noch keine dreidimensionalen Daten dazu gab. Wir lagen mit unseren mathematischen Vorhersagen sehr gut", so Weber.

Keine gefährlichen Nebenwirkungen

So konnten die Mathematiker sowohl ein Modell designen, wie die Struktur in gesundem Gewebe aussieht und ebenso ein Modell, wie im kranken Gewebe. Nachdem also tatsächlich ein erfolgversprechender Stoff gefunden war, musste im nächsten Schritt das Andocken des Wirkstoffes ausschließlich im kranken Gewebe simuliert werden. Auch das gelang. Bereits hinter sich hat der neue Wirkstoff die Versuche an lebenden Ratten.

Die Versuchstiere zeigten bei der Gabe von Fluor-Fentanyl keine der gefährlichen Nebenwirkungen, obwohl sie in gleicher Weise wie bei Fentanyl für Schmerzen unempfindlich wurden. Die Mediziner der Charité haben zudem den Tieren nicht nur die entsprechende Dosis verabreicht, die bei Fentanyl schon zum Tode geführt hätte, sondern viel höhere Dosen, ohne dass die Tieren daran starben. "Nach der Gabe bestimmter Antimittel konnte bei den Tieren sogar die normale Schmerzempfindlichkeit wieder fast vollkommen hergestellt werden", betont Marcus Weber.

Weber hofft, dass der Wirkstoff bald auf den Markt kommen könnte. "Mit dem Design von Fluor-Fentanyl wäre es dem Mathematiker dann gelungen, die Gefahren von stark wirkenden Schmerzmitteln erheblich zu vermindern und Prince hätte wahrscheinlich überlebt", heißt es in einer Aussendung des Forschungszentrums. (red, 8.6.2016)