Im Neubau sind viele Wohnungen nicht schwellenfrei, bemängeln Experten.

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"Warum tun sich Architekten bei barrierefreier Architektur so schwer?", fragte Ursula Fuss, deutsche Architektin und seit 26 Jahren im Rollstuhl, vor wenigen Tagen bei einer Veranstaltung von Ardex über Barrierefreiheit. Die Antwort gab sie gleich selbst: "Weil Architekten keine guten Beispiele dafür sehen." Und entsprechendes Planen werde auch an Hochschulen nicht ausreichend gelehrt. Ein weiterer Faktor: "die überdimensionierte Perfektion, die wir uns von Architekten erwarten." Dabei sei wichtig, die Architektur als Experiment zu begreifen.

Fuss hat sich auf Beratung spezialisiert – etwa bei der Planung von Hotelimmobilien. Dieses Segment spiele eine wichtige Rolle, denn dort seien Gäste bereit, etwas auszuprobieren. In einem von ihr geplanten Hotelbadezimmer etwa: Auf den ersten Blick ist kaum ersichtlich, dass es sich hier um ein behindertengerechtes Badezimmer handelt.

Ablageflächen neben der Badewanne sind so breit, dass man sich auch abstützen oder niedersetzen kann. Außerdem ist genügend Platz, den Rollstuhl zu wenden. Und es wurde mit unterschiedlichen Farben und Materialien gearbeitet, um Menschen mit Sehbehinderung entgegenzukommen.

Bessere Grundrisse gesucht

"Schwellenfrei" liegt im Trend, berichtete auch Ralph Johann, Geschäftsführer von Gutjahr Systemtechnik. Denn die Gesellschaft altert – und die Generation 50 plus sei eine kaufkraftstarke Gruppe. Viele Menschen dieser Alterskategorie wohnen aber derzeit noch in einem Zuhause, wo es beispielsweise keine schwellenfreien Übergänge von drinnen nach draußen gibt. Hier gebe es großes Potenzial bei Sanierungen. Und bodengleiche Duschen liegen derzeit im Badezimmer ohnehin aus "optischen Gründen" im Trend.

Im Neubau wiederum würde nach wie vor nicht schwellenfrei gebaut. "Obwohl das etwas mit Werterhaltung zu tun hätte", so Johann. Denn eine solche Wohnung sei besser vermietbar.

Bauherren argumentieren oft damit, dass barrierefreie Wohnungen mehr kosten. Fuss widerspricht: "Wenn das frühzeitig mitbedacht wird, dann verursacht Barrierefreiheit keine Mehrkosten." Im Wohnungsbau müssten Architekten "genauer hinsehen" und bessere Grundrisse planen, etwa, indem auf den Abstellraum verzichtet wird und stattdessen die Stellflächen in der Wohnung optimiert werden. (zof, 3.6.2016)