Hier in Trnovo soll ein Feriendorf entstehen. Doch dazu bedarf es der Unterschrift des Mujo.

Foto: Wölfl

Jetzt ist der Mujo eigentlich nicht dafür bekannt, dass er leicht übersehen wird. Er schreit mitten zwischen den Fußgängern in der Čaršija. Er kann auch in deutscher Sprache ausführlich über die Ungerechtigkeiten seines Lebens schimpfen. Es ist ihm egal, wenn ihm die Touristen nachschauen. Der Mujo ist schon lange aus dem Gefüge gefallen. Er ist außerdem so groß, dass manche sich schrecken, wenn er zu fluchen beginnt. Denn man weiß ja nicht, ob er nicht auch einmal seinen riesigen Arm ausprobieren will. Der Mujo hat den Zorn in sich, könnte man sagen. Er ist jedenfalls einer, der in einer dermaßen in sich gekehrten Stadt wie Sarajevo auffällt.

Doch in jüngster Zeit ist er verschwunden. Obwohl man ihn gerade jetzt so dringend brauchen würde. Denn der Mujo – so nennen wir den alten Mann – soll möglichst rasch eine Unterschrift unter eine Verkaufsurkunde setzen. Ohne diese Unterschrift kann nämlich das Land nicht verkauft werden, und ohne den Mujo kann deshalb auch nicht die Ferienstadt erbaut werden. Dem Mujo gehört nämlich das Grundstück genau in der Mitte des künftigen riesigen Bauareals. Also sind auch die Investoren aus den Vereinigten Arabischen Emiraten von dem murrenden, verschwundenen Mujo letztlich total abhängig.

Ferien auf der Alm

Seit Monaten herrscht eine flirrende Aufregung in der Stadt. "Sie kommen!", tuscheln die einen. "Glaubst du, dass der kleine Prinz den Deal mit den Arabern ausgehandelt hat? Glaubst du, dass der Izetbegović mitschneidet?", fragen die anderen. "Sie werden alles Land an sie verkaufen, und dann zwingen die Araber uns ihre Kultur auf", fürchten wieder andere. Manche bleiben gelassen: "So ein großes Investment hat es noch nie in Bosnien-Herzegowina gegeben. Ist doch super für uns." Die Buroj-Gruppe aus Dubai will im Mai zu bauen beginnen. Das Feriendorf auf der Alm 30 Kilometer außerhalb von Sarajevo in der Gemeinde Trnovo soll 2,3 Milliarden Euro ins Land bringen – DER STANDARD berichtete.

90 Prozent der Grundstücke sind bereits in den Händen der Investoren. Ursprünglich war vorgeschrieben, dass die Gemeinde Trnovo die Grundstücke kauft und "die Araber" sie nur auf 100 Jahre pachten dürfen. Doch dann hat der Bürgermeister von Trnovo, Ibro Berilo, erkennen müssen, dass er mit einer Million Euro nur ein paar Parzellen erstehen kann. Also kaufen jetzt gleich die Araber selbst das Land. Jeden Tag kommen Parzellenbesitzer zu ihnen und unterschreiben die Verträge. Dort, wo jetzt noch ein paar Schafe herumspringen, sollen bald Shoppingmalls und Villen für wohlhabende Leute vom Golf entstehen, die das Grün der Wälder in Bosnien und die Bacherln auf der Alm verzücken.

Der wichtige Mann

Nur der Mujo müsste eben noch unterschreiben. Das ist auch dem Bürgermeister Berilo ein Anliegen, weil er ja den Arabern im Wort liegt. Es geht bei Mujos Parzelle schließlich um das Herzstück der künftigen "Ozonstadt" für die Araber. Also versuchte man in Sarajevo in den vergangenen Tagen mit großer Anstrengung den Mujo zu finden. Am Freitag schickte der Bürgermeister dann einen seiner Mitarbeiter aus – nennen wir ihn Amir. Amir fand den Mujo sogar und wollte ihn schnell zu den Arabern bringen, damit er den Vertrag unterschreibt. Doch da merkte der Mujo plötzlich, dass er ein wichtiger Mann in Bosnien geworden ist.

"Nichts mache ich, niemals ohne das Freitagsgebet!", verkündete er und ließ sich – obwohl er ziemlich betrunken war – von Amir in die Moschee chauffieren. Es gibt Leute in Sarajevo, die sagen, dass dem Mujo das Freitagsgebet nicht immer so wichtig war wie diesen Freitag. Was auch immer die Leute sagen, sicher ist, dass einer wie der Mujo sich nicht so schnell von Geldargumenten einfangen lässt. In der Vergangenheit hat er all sein Hab und Gut hergegeben und nur den Koran behalten, er hat viel Geld den Wahhabiten mit den Rauschebärten gegeben, weil die ihm offenbar zuhörten, wenn er schimpfte, und er hat zusätzlich einiges in diverse Getränke investiert.

Die Zeit drängt

Ozonstadt? Araber? Zehntausende Euros? Unterschrift? Als der Mujo nach dem Moscheebesuch von Amir ins Büro chauffiert worden war und dort den Kaufvertrag las, erinnerte ihn etwas an einen alten Familienstreit, der hier nicht näher beschrieben werden soll. Es war jedenfalls so, dass der Mujo wutentbrannt aus dem Büro lief und den Kaufvertrag nicht unterschrieb. Die Alm bleibt seine Alm. In der Mahala – so sagen die Leute hier zu ihrem Grätzel – wird nun gemunkelt, dass der Bürgermeister Berilo und die Araber schon einen Weg finden werden, um ihn zur Räson zu bringen. Schließlich könnte man im Notfall die Parzellenbesitzer sogar enteignen. Es eilt, denn alles muss 60 Tage vor Baubeginn unter Dach und Fach sein. Doch der Mujo hat Zeit. Er möchte jetzt offenbar wieder gesucht werden. Und während er sich versteckt, sammelt der Mujo sicher wieder viel Zorn in sich. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, 7.3.2016)