Das vielleicht wichtigste Event der Mailänder Modewoche fand im Palazzo Reale unweit des Mailänder Doms statt. Ministerpräsident Matteo Renzi hatte zu Hummersalat und Pasta geladen. Eine Einladung mit Signalwirkung. Da saßen plötzlich die Schwergewichte der Modebranche von A wie Armani bis Z wie Zegna, das Who's who der CEOs und Designer, der Einkäufer und Redakteure, gemeinsam an einem Tisch. Die Tischnachbarn des Ministerpräsidenten: Anna Wintour, Chefin der amerikanischen Vogue, und ihre italienische Kollegin Franca Sozzani.

Es ging an diesem Vorabend der Modewoche um nicht weniger als die Zukunftsfähigkeit der italienischen Mode. Dieses Signal war überfällig. Die Mailänder Modewoche galt lange als schwerfällig und wenig innovativ, ihre Protagonisten waren in die Jahre gekommen. Renzi sprach der Branche Mut zu: Die Globalisierung sei eine Chance für die italienische Mode.

Musterschüler Gucci

Einem Unternehmen wie Gucci, das zum französischen Luxuskonzern Kering gehört, muss das nicht erklärt werden. Das Label ist gerade so etwas wie der Musterschüler der Mailänder Modewoche. Es lässt die italienische Mode in neuem Licht erscheinen. Innerhalb nur eines Jahres krempelte Alessandro Michele, der neue Designer des Labels, das Image des italienischen Unternehmens um. Gucci steht jetzt für verträumte Nerd-Mode, die ihre Anleihen in den Siebzigerjahren sucht.

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Breite Schultern bei Gucci
Foto: Reuters/ Stefano Rellandini

Am ersten Tag der Modewoche zeigte sich: Das Unternehmen hält weiterhin an diesem Rezept fest. Doch dabei bleibt es nicht. Michele streckt seine Fühler in alle Richtungen aus. Er erweiterte das Gucci-Vokabular um Sprühmotive des New Yorker Graffiti-Künstlers Trevor Andrew alias "Gucci-Ghost", um beeindruckend breite Schultern, Tigermotive, neue Taschen und vor allem um viele bodenlange Abendroben im Renaissance-Stil. So sieht Optimismus aus: Gucci will in Zukunft auf den roten Teppichen glänzen.

Vom Laufsteg in den Verkauf

In anderer Hinsicht bleibt bei Gucci alles beim Alten: Die Kollektion wird erst im Herbst zu kaufen sein. Kering-Chef François Pinault distanziert sich damit von den Zukunftsvisionen des britischen Unternehmens Burberry, das die gezeigte Mode seit dieser Saison direkt nach der Show in den Verkauf schickt.

Das Label hatte damit eine Diskussion in Gang getreten, die auch während der Mailänder Modewoche nicht verstummen wollte. Karl Lagerfeld, der bei Fendi den gerüschten Overknee-Stiefeln wuchtige Mäntel in Pflaumenfarben und Tannengrün entgegensetzte, winkte ab. Er hält von dem Vorstoß des britischen Labels Burberry wenig: Das "See now, buy now"-Prinzip sorge im Modebusiness für reines Chaos.

Andere Unternehmen hingegen wollen mitnaschen und tasten sich langsam an den Sofortverkauf heran. Modevordenkerin Miuccia Prada, die den Models diesmal Korsagen über karierte Mäntel schnürte, dazu dicke Strumpfhosen mit Rautenmuster kombinierte und kleine Bücher und Schlüssel um Taillen und Hälse hängte, ging mit zwei Taschenmodellen direkt nach der Modeschau in den Verkauf.

Ließen Luft zum Atmen: Korsagen von Prada
Foto: Apa/ Afp/ Guiseppe Cacace

Pradas modische Message ist optimistisch und selbstbewusst: Frauen können sich sexy einschnüren und gleichzeitig angezogen aussehen. Ähnliche Signale bei Max Mara, wo emanzipierte Künstlerinnen der Zwanzigerjahre als Vorbilder herhielten. Auf dem Laufsteg waren überwiegend Frauen zu sehen, die die Ärmel aufkrempeln: Die wadenlangen schwingenden Mäntel wurden allesamt in den Armbeugen gerafft.

Solch positive Messages setzten sich sogar bei den Veteranen der Mailänder Mode fort. Emporio Armani signalisierte gute Laune in Pastell. Er setzte geometrische Motive auf Oberteilen zu lächelnden Smileys zusammen. Ein bisschen erinnerte das an die verspielten Memphis-Möbel, die während der Modewoche in Mailands legendärem Concept Store Coso Como ausgestellt waren.

Gute Laune bei Armani

Emporio Armani macht auf gute Laune
Foto: Apa/ Afp/ Tiziana Fabi

Armanis Gute-Laune-Mode war kein Einzelfall. Der österreichische Nachwuchsdesigner Arthur Arbesser, dessen eigene Kollektion wesentlich erwachsener geriet, ließ bunte Quadrate über seine zweite Kollektion für Iceberg purzeln, beim Florentiner Traditionslabel Ferragamo dominierten bunte Blockstreifen und Zickzackmuster, bei Pucci löste Designer Massimo Giorgetti Bergpanoramen in abstrakte Farbsplitter auf.

Arthur Arbessers eigene Kollektion geriet erwachsener als seine Entwürfe für Iceberg
Foto: Henrik Blomqvist

Powerfrauen, breite Schultern

Auffällig viele Labels verbeugten sich vor den Looks der Powerfrauen der frühen Achtzigerjahre: Breite Schultern marschierten nicht nur bei Gucci, Fendi und bei Prada über den Laufsteg, sondern machten auch die schlichten Sakkos bei Jil Sander interessanter. Sogar Designer Tomas Maier, ansonsten nicht für schnelle Trends bekannt, wagte sich bei seinen Hosenanzügen für Bottega Veneta an eine leichte Verbreiterung der Schulter heran. Bei Marni beherrschten gar aufgepumpte Blusenärmel die Show.

Aufgeblasene Blusenärmel dominierten bei Marni
Foto: Apa/ Afp/ Tiziana Fabi

Was für die Kollektionen die breiten Schultern, waren den Shows jene Auftritte, die auf Pauken und Trompeten und das große Tamtam setzten. Während der New Yorker Modewoche hatte Kanye West vorgeführt, wie Showeffekte die Social-Media-Welt in Atem halten können. In Mailand gingen die Designer es zwar eine Nummer kleiner an, doch auch hier trat bei so mancher Show die Mode in den Hintergrund.

Donatella Versaces babyblaue und fliederfarbene Entwürfe, die von Reißverschlüssen, Cut-outs und zackigen Einlässen in Form gehalten wurden, legten in der luftigen Showlocation einen schnellen Lauf und einige Meter hinter sich.

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Gigi Hadid und Donatella Versace nach der Show
Foto: Ap/ Luca Bruno

Gigis Busenblitzer

Am Ende sprachen trotzdem alle über den Busenblitzer des Models Gigi Hadid. Auch die kitschigen Cinderella-Kulissen bei Dolce & Gabbana schienen bei den Showbesuchern einen bleibenderen Eindruck zu hinterlassen als die schimmernden Prinzessinnenkleider, die die beiden Designer unter den Kronleuchtern flanieren ließen.

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Dolce & Gabbana-Prinzessinnen vor goldener Kutsche
Foto: Reuters/ Stefano Rellandini
Dolce & Gabbana
Foto: Apa/ Afp/ Guiseppe Cacace

Vor der Show war Selfie-Alarm vor einer goldenen Kutsche angesagt. Und Jeremy Scott? Er ließ bei Moschino Laufsteg und Kleider überhaupt in Rauch aufgehen.


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Der Designer für's große Spektakel: Philipp Plein
Foto: Reuters/ Alessandro Garofalo

Am konsequentesten aber wies Philipp Plein der Mode eine Nebenrolle zu. Der deutsche Hauruck-Designer, der neuerdings Amerika erobern will, ließ mehrere riesige Trucks in eine Messehalle, doppelt so groß wie die Location von Versace, einrollen. Während draußen der Regen prasselte, sprühten drinnen die Funken durchs Halbdunkel.

Die Models in Leder und Bling-Bling sprangen von den Trucks. Dann Auftritt des Musikers Chris Brown. Die Fans von Philipp Plein waren begeistert. Die Renaissance der Mode, die suchte man hier allerdings vergebens.


(Anne Feldkamp aus Mailand, 1.3.2016)


Mailänder Modewoche: Im Schatten der Medici

Schluppenblusen, Fendirumi: Mailänder Streetstyle