Anlassfall Schwarze Sulm: Bürgerrechte stehen oft nur auf dem Papier der EU, nicht im österreichischen Recht

Foto: Grüne / Bernhard Pekari

Wien – Scharfe Umweltgesetze zu beschließen ist eine Sache. Sie umzusetzen eine zweite. Und nachzuweisen, dass zwischen beschlossenem Recht und dessen Anwendung Diskrepanzen bestehen, ist in vielen Fällen nahezu unmöglich. Das geht aus dem aktuellen Bericht des BIV, des Grün-Alternativen Vereins zur Unterstützung von Bürgerinitiativen, hervor.

Der Verein wurde vor 25 Jahren gegründet, um Rechtsbeistand aus einer Art Selbstbesteuerung der grünen Parlamentsabgeordneten zu finanzieren. Genau 66.408,12 Euro haben die Parlamentarier im Vorjahr eingezahlt, das Geld wird vom Verein ohne Einflussnahme der Grünen Politiker verwaltet; es wird fast ausschließlich für Anwaltskosten und Gutachten ausgegeben.

Öffentlichkeitsbeteiligung nur in der Theorie

Schwerpunkt der aktuellen Aktivitäten war die Umsetzung der Aarhus-Konvention. Diese ist ein völkerrechtlich bindendes Übereinkommen, das erstens jeder Person zubilligt, freien Zugang zu Umweltinformationen zu bekommen; das zweitens Öffentlichkeitsbeteiligung in Umweltverfahren vorsieht; und das drittens Zugang zu Gerichten in Umweltverfahren zusichert.

"Dabei geht es nicht nur um Einzelverfahren, sondern auch um unzulängliche Verordnungen", erläutert die Umweltjuristin Marlies Meyer, die im Vorstand des Vereins tätig ist. Sie verweist darauf, dass der österreichische Gesetzgeber – immerhin 17 Jahre nachdem der damalige Umweltminister Martin Bartenstein (ÖVP) die Konvention unterzeichnet hat – noch immer keine entsprechenden Ansprüche und Verfahrensregeln verankert hat.

Klagsrecht nicht gewährleistet

Im BIV-Bericht heißt es: "Der Europäische Gerichtshof hat jedoch Betroffenen und Umweltorganisationen das Recht zugesprochen, alle konkreten Bestimmungen der Richtlinien zum Schutz der Gesundheit und der Umwelt vor den nationalen Gerichten einklagen zu können."

Zumindest teilweise funktioniert das auch. Einen solchen Teilerfolg gab es im Fall der Schwarzen Sulm, eines Kraftwerksprojekts in der Steiermark, das seit Jahren von mehreren Umweltorganisationen bekämpft wird, weil das Projekt der Wasserrahmenrichtlinie der EU widersprechen dürfte. Dabei ergab sich ein ziemlich kompliziertes Verfahren, in dem der steirische Landeshauptmann den Kraftwerksbau bewilligt hatte, während das Umweltministerium die Genehmigung wieder aufgehoben hatte. Dabei sah der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Formalfehler, also lebte die Genehmigung wieder auf.

EU-Kommission klagt

Daraufhin schaltete sich das Ökobüro, eine anerkannte Umweltorganisation, ein – und kam schließlich unter Berufung auf die Aarhus-Konvention bis zum VwGH. "Das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft meinte, die Umweltorganisation sei dazu nicht legitimiert, und wies den Wiedereinsetzungsantrag und die Berufung zurück. Am 29. 7. 2015 hob der angerufene Verwaltungsgerichtshof diese Entscheidung auf, weil die Berufung beim LH einzubringen gewesen wäre, daher auch zur Zurückweisung dieser nicht das BMLFUW zuständig gewesen wäre. Zu den eigentlichen Fragen, ob die NGO Parteistellung im wasserrechtlichen Verfahren hat und ob die Genehmigung für das Wasserkraftwerk rechtmäßig ist, ist damit nichts gesagt", heißt es im Bericht des BIV.

Einen anderen Erfolg gab es aber: Die EU-Kommission hat wegen der Säumigkeit Österreichs inzwischen Klage eingebracht. (Conrad Seidl, 6.12.2015)