Raqqa, eines der Zentren des IS, verfügt über Internetzugang.

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Nutzer können per Satellit auf das Internet zugreifen.

Die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) nutzt in Syrien offenbar die Internetdienste europäischer Satellitenbetreiber. Das berichtet "Spiegel Online". Dem Magazin liegen Dokumente vor, die zeigen, dass in Syrien und dem Irak tausende Anlagen installiert sind, mit denen Nutzer per Satellit auf das Internet zugreifen können. Zumindest einige hundert davon stünden in den vom IS besetzten Gebieten.

Die Anlagen bestehen demnach aus Satellitenschüssel, Modem sowie Sende- und Empfangsgerät und verbinden sich vor allem mit den Satelliten der europäischen Unternehmen Avanti Communications (Großbritannien) und Eutelsat (Frankreich).

Internet per Satellit

Wer in Syrien ins Internet will, muss das per Satellit tun, die Telekommunikations-Infrastruktur ist weitgehend zerstört. Theoretisch kann das jeder tun, in Städten mit starker IS-Präsenz wie Raqqa und Deir ez-Zor kontrolliert die Terrormiliz allerdings die Internetzugänge.

Technik und Internetzugänge werden über eine Kette von Vertriebsfirmen verkauft. Am Anfang stehen große europäische Satellitenbetreiber, besonders populär sind die Marken Hughes von Avanti und Tooway von Eutelsat – in beiden Fällen wird die Technik von US-Firmen hergestellt. An Eutelsat mit Sitz in Paris ist der französische Staat indirekt mit gut 26 Prozent beteiligt.

GPS-Koordinaten

Vertriebsfirmen nehmen den Satellitenbetreibern Anlagen und Satellitenkapazität ab und verkaufen sie wieder an Privatleute oder Unternehmenskunden. Über die Türkei gehen tausende Anlagen weiter nach Syrien. Die Satellitenbetreiber und ihre Vertriebspartner kennen in der Regel die Standorte der Nutzer. Wenn die ihre Anlagen installieren und den Internetzugang konfigurieren, müssen sie ihre GPS-Koordinaten angeben – sollten sie falsche Daten liefern, haben sie keine oder nur eine schlechte Verbindung.

"Spiegel Online" liegen einige dieser GPS-Koordinaten aus den Jahren 2014 und 2015 vor, und schon diese Daten zeigen: Sie liegen genau in jenen Gebieten, die vom IS kontrolliert werden. Viele Anlagen stehen in der syrischen Stadt Aleppo, die nicht vollständig in der Hand der Terrormiliz ist. Aber weitere Standorte befinden sich in der inoffiziellen IS-Hauptstadt Raqqa, in Al-Bab, in Deir ez-Zor und entlang des Euphrat bis in den Irak hinein, dort vor allem in der vom IS besetzten Stadt Mossul.

Propaganda, Kommunikation und Onlinebanking

Dass von den Terroristen besetzte Gebiete noch immer über Internetverbindungen verfügen, erscheint schwer verständlich, nutzt der IS doch das Netz für Propaganda, Kommunikation und Onlinebanking. Allerdings dürften wohl alle Bewegungen des IS von Geheimdiensten überwacht werden – vermutlich mit Wissen der Unternehmen.

Wichtig für die Terroristen

Der IS hat schnell erkannt, wie man via Internet Jugendliche erreichen kann. Potenzielle Sympathisanten werden über Facebook, Foren und Blogs rekrutiert, wo sie in Kontakt mit Terroristen treten können. Viele IS-Anhänger aus Österreich sind auf der Frage-Antwort-Plattform ask.fm aktiv. Dort tauscht man sich über das Kalifat des IS aus und redet zeitgleich über Dinge, die Teenager beschäftigen – etwa über die erste Liebe oder das Hausschuhverbot in der Schule.

In den letzten Monaten hat sich die Messenger-App Telegram zum Hauptkommunikationskanal gemausert. Über die kürzlich eingeführten Telegram-Kanäle können ähnlich wie bei Twitter große Mengen von Abonnenten erreicht werden. Nach den Anschlägen in Paris wurden zwar einige diese Kommunikationskanäle von der Firma hinter Telegram abgedreht, aber fast zeitgleich wurden in Windeseile neue angelegt. Es ist zwar schwieriger geworden, sie zu finden, aber sie sind noch immer da. (red,sum 4.12.2015)