Wien – In jeder Hinsicht keine leichte Sache ist Hermann Nitschs Gesamtkunstwerk des Orgien-Mysterien-Theaters: Die Dreitagesfeste für alle Sinne, mit Tierschlachtungen, Prozessionen, Arrangements aus Gedärmen und Früchten auf und mit Mitwirkenden, die Mal- und (Blut-)Schüttaktionen fordern Kraft – vom Aktionismusmeister selbst, von den Mitwirkenden und vom Publikum. Auch das nunmehr in gedruckter Form vorliegende Nitsch-Gesamtkunstwerk ist 967 Großformatseiten dick, folglich mehrere Kilos schwer und nur in limitierter Auflage (also auch schwer) erhältlich.

Michael Karrer. Gründungsdirektor der Nitschfoundation, hatte die Idee zu diesem gewichtigen OEuvre mit dem ebenso schlichten wie bündigen und aussagekräftigen Titel Nitsch. In elf Kapiteln unterteilt – Philosophie, Aktionen, Relikte, Malerei, Architektur, Musik, Inszenierungen, Andere Werkgruppen, Frühwerk, Schloss Prinzendorf, Wiener Aktionismus – ist die Monografie ein dem ausufernden Werk würdiges, also höchst opulentes und reich bebildertes Nachschlagewerk. Oder, wie Kurator Rudi Fuchs schreibt, "ein wahres Kompendium von allem, was Nitsch jemals in all diesen Jahren mit so viel Glauben und Hingabe in Angriff genommen hat."

Essays, unter anderem von Lóránd Hegyi, Peter Gorsen, seinem Aktionismuskollegen Günter Brus oder auch dem Spielteilnehmer Hanno Millesi sowie Interviews, etwa jenes, das Danielle Spera mit Nitsch führte, weiten die Perspektive. Besonders aufschlussreich sind die (philosophischen) Textbeiträge von Nitsch selbst, etwa wenn er das dionysische Phänomen erläutert, über Kosmologie und Christentum, Geschmacks- und Geruchsmotive, die Raubtierhaftigkeit sowie Freud und die Kunst nachdenkt.

Zum Stellenwert der einzelnen Werkgruppen im Gesamtkunstwerk schreibt er: "Da ich ein reinrassiges Gesamtkunstwerk realisiere ..., ist es klar, dass ich eben auch im Vollzug der theatralischen Geschehnisse ein Skulpteur, also ein Bildhauer bin, ebenso ein Choreograf, der Tanz simuliert die Aktion wie durch eine Fuge und natürlich sind die Collagen und Montagen mit allen möglichen Gegenständen ein wichtiger Bestandteil." (asch, 5.11.2015)