Kira Kirsch möchte den Kontakt zum Publikum intensivieren.

Foto: Heribert Corn

STANDARD: Welches Publikum möchten Sie ansprechen?

Kirsch: Ich möchte das Publikum erweitern und Brut auch für Menschen aus anderen Sparten öffnen, etwa aus der bildenden Kunst. Das versuchen wir über neue Kooperationen, u. a. mit der Kunsthalle Exnergasse. Ende November installiert das Kollektiv Geheimagentur ein Wettbüro zwischen Brut und Exnergasse. Zugleich möchten wir leerstehende Räume zwischenzeitlich nützen. Brut soll auch an theaterfernen Orten sichtbar werden. Mein Ziel ist es, den Austausch mit dem Publikum zu verstärken, nicht nur mit Fach-, auch mit allgemein interessiertem Publikum.

STANDARD: Ist das Motto "Raus zu den Menschen" nicht ein frommer Wunsch, eine theoretische Idee von Demokratisierung von Kunst?

Kirsch: Erstens ist es kein Motto. Es ist ein Akzent, den wir setzen. Wir wollen das Brut zugänglicher machen. Und es geht da nicht nur um neues Publikum, sondern wir wollen überprüfen, welche Auswirkungen dieses "Rausgehen" auf künstlerische Prozesse hat. Was passiert etwa, wenn Marino Formenti mit Ann Liv Young in einem Ladenlokal performt? Allein schon durch die Praxis vor Ort hinter Schaufenstern wird dort etwas in Gang gesetzt. Die Sichtbarkeit ist jedenfalls eine andere als im Keller vom Konzerthaus.

STANDARD: Der Konzerthauskeller ist perdu. Ist die Abstoßung einer Spielstätte nicht ein Sakrileg? Ist es nicht Aufgabe einer Leitung, die eigenen Räume zu schützen?

Kirsch: Genauso könnte ich sagen: Es gehört zur Aufgabe einer Leitung, auf das Budget zu schauen. Letztlich war es aber eine künstlerische Entscheidung: Ich fand es für die Positionierung des Hauses interessanter, sich auf den Weg nach draußen zu machen. Und beides, Konzerthauskeller und temporäre Projekte außerhalb, das ging finanziell nicht.

STANDARD: Performance lässt sich schwerer kommunizieren als Schauspiel. Es ist eine weniger narrative Kunst, oft gibt es nur wenige Vorstellungen. Was tun?

Kirsch: Wir versuchen verstärkt ein Wiederaufnahmeprinzip zu installieren, sodass man Produktionen innerhalb von gewissen Zeiträumen mehrmals sehen kann. Es wäre ja frustrierend, wenn Arbeiten nur drei-, viermal gezeigt werden könnten. Zudem werden wir Formate anbieten, die es ermöglichen, mit den Künstlern ins Gespräch zu kommen. Wir wollen neue Zugänge schaffen, das Publikum soll etwa an Werkgesprächen und an Probenprozessen teilnehmen können.

STANDARD: Wie schätzen Sie denn die österreichische Szene ein? Hat sie sich durch das Koproduktionshaus Brut entwickeln können?

Kirsch: Auf alle Fälle. In den letzten Jahren wurden viele österreichische Künstler im Brut von ihren Anfängen an kontinuierlich unterstützt, heute feiern sie international Erfolge. Ich denke da an Doris Uhlich oder Simon Mayer.

STANDARD: Das Wuk hat sich durch die künstlerische Leiterin Bettina Kogler als wichtige Performanceadresse positioniert. Wie grenzen Sie sich da ab, wie pusht man sich?

Kirsch: Prinzipiell besteht da ein Dialog. Jedes Haus hat unterschiedliche Produktionsbedingungen wie auch räumliche Voraussetzungen. Es gibt Projekte, die passen besser da, andere besser dort hin. Gerade in einer Kunstform, die sich auch durch die Überschreitung von Genregrenzen auszeichnet, finde ich Abgrenzungen nicht so gut und denke lieber über Kooperationsmöglichkeiten nach. (Margarete Affenzeller, 28.10.2015)