Viv Albertine, ehedem bei The Slits, hat ihre Erinnerungen aufgeschrieben. Das Filmcasino widmet ihr am Donnerstag einen Abend. Mit Lesung und Film.

Foto: Faber & Faber

Wien – Punk war eine testosteronhaltige Bewegung. Zwar behaupten zeitzeugige Herren der Erschöpfung gerne, es wäre die erste Popkulturbewegung gewesen, die eine Geschlechtergleichberechtigung gebracht hätte, doch schlug sich das nur in homöopathischen Dosen nieder. Wenn, dann aber gewaltig.

Etwa mit der Band The Slits. Das waren vier Teenagergören, die im Umfeld der Sex Pistols, von The Clash und Adrian Sherwoods frühen Versuchen mit Dubmusik umtriebig waren, als gebe es kein Morgen. Eine der Slits, Ari Up, wurde später die Stieftochter Johnny Rottens. Die ist 2010 an den Folgen ihres Lebens gestorben, eine andere der Slits, Viv Albertine, hat im Vorjahr ein Buch über diese Zeit geschrieben, eine Autobiografie, eine Erinnerung an die Tage der fehlenden Erinnerungen. Das Buch heißt Clothes, Music, Boys.

Mit dem Titel liegen die wesentlichen Themen bereits am Tisch, am Donnerstag liest Albertine daraus im Wiener Filmcasino, stellt sich unter der Moderation von Isabella Reicher einem Publikumsgespräch und ist im Anschluss in Joanna Hoggs Film Exhibition zu sehen.

Fröhlicher Dilettantismus

Clothes, Music, Boys ist eine wild wuchernde Ansammlung von Rückblenden und Anekdoten, die den Irrsinn des Punk Ende der 1970er-Jahre in England illustriert. Sie erzählt von fröhlichem Dilettantismus, der bei Livekonzerten in Gewaltausbrüche und Messerstechereien ausartete, oder von sexuellen Übungen, bei deren Erwähnung der politischen Korrektur heute ihr Veilchenatem stockte.

Dabei ging es bei all dem immer wieder um weibliche Selbstbestimmung. Zumindest wird es so dargestellt und entspricht damit klar den Forderungen, die rebellischen Teenager eben stellen: jenes Versprechen nach Gleichstellung, für das Frauen auch im Punk stärker kämpfen mussten als Männer.

The Slits waren nach drei Alben Geschichte, ihr 1979 erschienenes Debüt Cut wird heute den aufregendsten Dokumenten jener Zeit zugerechnet. (Karl Fluch, 29.9.2015)