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Staatspräsident François Hollande mit Generalstabschef Pierre de Villiers (rechts) bei der traditionellen Militärparade am 14. Juli 2015, dem französischen Nationalfeiertag. Paris will nun mehr Flagge zeigen.

Foto: EPA / Thibault Camus

Die Ankündigung kam anlässlich der halbjährlichen Pressekonferenz: Frankreichs Staatspräsident François Hollande erklärte, ab Dienstag würden französische Militärflugzeuge Aufklärungsflüge in Syrien fliegen, um dort Stellungen der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) ausfindig zu machen. Aufgrund solcher Erkenntnisse könnten dann Kampfjets zum Einsatz kommen.

Die Ankündigung stellt eine Kehrtwende in der französischen Diplomatie dar, denn bisher hatte sich Frankreich nur im Irak an den alliierten Lufteinsätzen gegen IS-Einheiten beteiligt. Für Missionen in Syrien fehlte Paris – wie Hollande noch vor einem Jahr erklärt hatte – eine völkerrechtliche Vorgabe, sei es durch die Regierung in Damaskus oder durch die Uno. Dahinter verbargen sich allerdings auch französische Bedenken, dem US-Kurs zu folgen.

Kehrtwende

Hollande scheint immer noch verschnupft zu sein, dass US-Präsident Barack Obama 2013 im letzten Moment auf Militärschläge gegen das Assad-Regime verzichtet hatte. Nun musste Hollande aber einsehen, dass seine Abstandshaltung in Syrien nicht länger haltbar ist. Am gestrigen Montag gab er zu verstehen, dass es auch darum gehe, in Syrien französische Jihadisten aufzuspüren, die später nach Frankreich zurückkehren könnten, um dort Terroranschläge zu verüben.

Heute ist der französische Geheimdienst, was Syrien betrifft, weitgehend auf US-Informationen angewiesen. Und wegen des französischen Abseitsstehens sei er laut Pariser Quellen "nur sehr dürftig" informiert worden.

Der direkte Anlass für Hollandes Ankündigung ist zweifellos auch die Flüchtlingsfrage. Mit seinem Kurswechsel bedeutet der Präsident seinen Landsleuten, dass er das Übel an der Wurzel packen will.

"Strategischer Fehler"

Der militärische Nutzen französischer Syrien-Einsätze ist jedoch stark umstritten. Im Irak flogen die Rafale-Kampfjets erst 200 Einsätze gegen den IS – bei mehr als 6.000 der amerikanischen Luftwaffe. Pariser Militärexperten monieren, dass französische Luftangriffe die IS-Stellungen kaum schwächen, aber unter Zivilisten hohe "Kollateralschäden" verursachen würden.

Ihr bekanntester Vertreter, François Heisbourg, hält die französischen Einsätze für einen "strategischen Fehler": Viele syrische Sunniten fühlten sich durch die US-Luftangriffe genauso bedroht wie durch die grausamen Fassbomben der syrischen Armee, meint er. Das treibe diese Zivilisten in die Arme der IS-Schergen, die sich lokal keineswegs nur als Henker betätigen, sondern auch kommunale Verwaltungen aufbauen würden.

Konservative Oppositionspolitiker in Paris meinen, dass wohl nur der Einsatz von Bodentruppen den Krieg wirklich beenden könnte. Der Sozialist Hollande lehnt dies als "unrealistisch und inkonsequent" ab. Er setzt womöglich gar nicht so sehr auf eine militärische als vielmehr auf eine politische Lösung. In Abkehr von früheren Positionen verlangte er nicht mehr die "Neutralisierung" von Bashar al-Assad, sondern "früher oder später" dessen Rücktritt.

Hinweis auf Russland

Hollande betonte, sogar Russland stehe nicht mehr bedingungslos auf der Seite Assads, obschon es ein Verbündeter des Regimes bleibe. Diese feine Nuance soll wohl einen Ausweg aus der auch politischen Sackgasse in Syrien weisen.

Moskau scheint indes auf jeden Fall bemüht, die syrische Armee zu unterstützen: Gemäß "Los Angeles Times" sollen russische Einheiten in Nordwestsyrien Fertigunterkünfte für 1.000 Soldaten eingerichtet haben. Während sich die Hinweise mehren, dass Moskau einen Bodeneinsatz in Syrien planen könnte, erwägt London eigene Luftangriffe in dem kriegsversehrten Land. Der britische Premierminister David Cameron will Pressemeldungen zufolge Anfang Oktober einen zweiten Anlauf nehmen, um vom Parlament grünes Licht für einen solchen Militäreinsatz zu erhalten. 2013 war er mit diesem Ansinnen noch gescheitert. (Stefan Brändle aus Paris, 7.9.2015)