"Weil ER uns zuhört", "Weil ER uns versteht", "Weil ER uns stärkt", steht auf den Plakaten in Oberösterreich. Ist von Jesus die Rede? Oder wenigstens von Strache? Denn Haider ist ja nicht mehr. ER ist von uns gegangen respektive zu schnell gefahren. Daher: Wer ist jetzt ER? Die Überraschung ist groß. ER ist weder Jesus noch Haider noch Strache. ER ist Spitzenkandidat der FPÖ Oberösterreich, den außerhalb seiner Landesgrenzen allerdings kaum jemand namentlich kennt.

Da stellt sich die Frage: Wie ist es möglich, dass Menschen derlei größenwahnsinnigen Firlefanz offenbar mögen? Denn die Prognosen sagen der FPÖ in Oberösterreich bei den Wahlen im September kräftige Gewinne voraus. Wobei die Prognosen gleichzeitig sagen, daran sei gar nicht ER schuld, das sei weder sein noch Straches Verdienst, schuld sei eine tiefsitzende Unzufriedenheit.

Missvergnügen ...

"Zwei Drittel sehen Österreich auf falschem Kurs", zitierte DER STANDARD vor kurzem eine Untersuchung. Ebenfalls dem STANDARD war zu entnehmen, was die Österreicher zurzeit am meisten ärgert. In dieser Reihenfolge: die Politik der EU – die Bundesregierung – die Politik Griechenlands – die Flüchtlinge, die zu uns kommen. Erst dahinter rangiert "das Verhalten von anderen Verkehrsteilnehmern" und der übliche Kleinkram.

Die Regierung bekomme die Probleme nicht in den Griff, speziell das mit den Flüchtlingen, meint eine überwältigende Mehrheit. Und dafür spricht auch vieles angesichts des elenden Hickhacks zwischen Bundesregierung und Landeshauptleuten, die dafür bei den nächsten Wahlen die Rechnung präsentiert bekommen, nachdem auch jeder Dorfbürgermeister der Regierung auf der Nase herumtanzen darf.

Mit anderen Worten: Es sieht so aus, als ob Strache sich nur zurücklehnen müsste, und die gebratenen Tauben fliegen ihm von selbst in den Mund. Und das trifft vermutlich auch auf den ER zu. Aber zurück zu jener Wutskala, an deren erster Stelle die Politik der EU steht.

... und die schlaue FPÖ

Hier setzt schlau die FPÖ an. Allerdings: Sich in dieser besonders schwierigen Situation gegen die EU zu stellen, statt im Gegenteil aktiv um größtmögliche Solidarität innerhalb der EU zu kämpfen, ist nicht nur dumm, es gefährdet darüber hinaus die Interessen Österreichs als machtloser Kleinstaat fundamental. Aber das ist nicht neu. Seit Jörg Haider beschädigt die FPÖ österreichische Interessen und österreichisches Ansehen international immer wieder. Doch ihre Wähler stört das offenbar nicht. Sie sehen die FPÖ trotzdem – vielleicht auch deswegen – als ihre "Heimatpartei".

Hier stellt sich die Frage, ob ein Zusammenhang zwischen den Erfolgen der FPÖ und dem relativen Misserfolg des Bildungsvolksbegehrens bestehen könnte. Untersuchungen besagen, dass die Wähler der FPÖ weitgehend im unteren Bildungsbereich angesiedelt sind. Darauf habe ich schon einmal in einem Beitrag hingewiesen, und mehr habe ich nicht gebraucht. Es folgten wütende Proteste von Männern, die mit Dr. unterschrieben haben, plus dem Hinweis, dass ich 30 Prozent der österreichischen Bevölkerung beleidige – was keineswegs meine Absicht ist.

Aber es ist nun einmal so, dass Bildungschancen in der Gesellschaft ungleich verteilt sind – und auch ungleich genützt werden. Manchmal spielt da beschränkte Selbstzufriedenheit auch eine Rolle. Daher gibt es in jeder Gesellschaft diesen unteren Bildungsbereich, und da scheint eine Korrelation zur FPÖ-Wählerschaft zu bestehen. Noch zurückhaltender kann man es nicht formulieren. Aber Demoskopie und Wahlanalysen sind keine Beleidigung.

Josef Haslinger hat vor 28 Jahren den Streit um Waldheim in Politik der Gefühle. Ein Essay über Österreich hellsichtig analysiert. Damals war es die ÖVP, die erfolgreich ein Bad genommen hat in dieser Politik der Gefühle. Die FPÖ hat anschließend das Rezept aufgegriffen und fährt mit diesem aggressiven Kurs gegen das Nachdenken seit einem Vierteljahrhundert gut – wenn sie sich nicht gerade selbst in die Luft sprengt. Sogar die größte Bankenpleite der Zweiten Republik, wofür wir noch jahrzehntelang zahlen werden, hat der dafür verantwortlichen "sozialen Heimatpartei" – welch dreister Scherz! – nicht geschadet.

Kugel ins Knie

Die FPÖ hetzt Menschen gegeneinander. Und da kann es passieren, dass untere Funktionäre das von ihrer Partei forcierte Klima der Hetze missverstehen und überdeutlich werden, zum Beispiel die grüne Parlamentsabgeordnete Alev Korun als "wahnsinnige Drecksschleuder aus der Türkei" bezeichnen und zur Steinigung raten. Aber es sind nicht nur die ganz unten. Als vor kurzem einer dieser Verhetzten schrieb, jemand möge dem Falter-Journalisten Florian Klenk "links und rechts ins KNIE eine KUGEL verpassen", da postete dazu der Kärntner Landesparteisekretär der FPÖ: "Vielleicht liegt der Grund für solche Botschaften an Ihrer Berichterstattung?"

Wir wissen nicht, ob die FPÖ in Österreich je zur Macht kommen wird. Befürchtungen für Bürger- und Menschenrechte wären in diesem Fall angebracht – nicht gleich, aber sollte es der Partei gelingen, auf welchem Wege auch immer, ihre Herrschaft zu festigen, dann schon. (Peter Huemer, 27.8.2015)