Schwere Ketten, lockerer Gang: die Fünferbande von N.W.A. in "Straight Outta Compton".

Foto: Universal

Deutscher Trailer.

Universal Pictures Germany

Internationaler Trailer (englisch).

Universal Pictures UK

Wien – Man darf sich Dr. Dre als glücklichen Mann vorstellen. Nicht nur hat er es insbesondere mit dem Verkauf überteuerter Kopfhörer zum bestverdienenden Musikunternehmer des Universums gebracht, nein, auch die Sache mit den seidig glänzenden Anzügen ist endlich geklärt. In diesen wollten sich er und seine damaligen Kollegen der World Class Wreckin' Cru Mitte der 1980er als die schnittigsten Partymacher von Los Angeles etablieren.

Zum späteren Image eines harten Ghettobuben passte der grelle Zwirn aber nicht mehr, da war Bling Bling nur noch in Form dicker Goldketten gefragt und ein Verweis auf jugendliche Modesünden ein beliebtes Schmähmittel. Jetzt kann aber endlich die ganze Welt sehen, dass der spätere Produzent von Snoop Dogg, Eminem und Kendrick Lamar das Glitzeroutfit schon damals gar nicht cool fand.

Das Vehikel der Volksaufklärung heißt Straight Outta Compton und erzählt, wie Dr. Dre, Ice Cube und Eazy-E als Mitglieder der Fünferbande N.W.A. (kurz für Niggaz wit' Attitude) den Gangsta Rap ab 1987 popularisierten. Der Fokus auf das Trio mag auch darin begründet sein, dass diese (beziehungsweise Angehörige) mitproduzierten. Tatsächlich waren sie es aber auch, die den Auftritt der Truppe definierten: Dr. Dre als Beatbastler, Ice Cube als Texter und Eazy-E als authentischer Gangster, der das nötige Startkapital mitbrachte.

Fast zweieinhalb Stunden nimmt sich Regisseur F. Gary Gray, der 1992 sein erstes Musikvideo mit Ice Cube drehte, Zeit für eine Geschichte, die alles enthält, was eine Musikerbiografie ausmachen kann. Die Herkunft aus einfachen Verhältnissen, die Genese der Musik, der seinen Vorteil nicht aus den Augen verlierende Manager (Paul Giamatti), die mitreißenden Shows, die Groupies, der Kampf gegen das Establishment, das Zerbrechen der Band, letzten Endes auch der Tod.

So gelingt in der ersten Hälfte des Films ein spannendes, mit Augenmerk aufs Detail gedrehtes Porträt der Protagonisten und ihrer Zeit, die von einer militärisch operierenden, rassistisch gezeigten Polizei geprägt wird. In einem Sommer voller Berichte über Polizeigewalt gegen Schwarze sicherlich ein Grund für die große Resonanz, die Straight Outta Compton in den USA gerade hervorruft. Immer wieder weist Gray auf Zustände hin, die zu den gewalttätigen Unruhen von 1992 führten, um diese auch als Moment einer Verbrüderung verfeindeter Gangs zu zeigen.

Mitunter weichgezeichnet

Wenn der erste Rausch des Erfolgs schließlich abebbt, werden auch die Schwächen des Drehbuchs deutlich. Zu viel Zeit wird Vertragsstreitigkeiten gewidmet, anderes verkommt zur Nummernrevue: da ein Gewaltausbruch des maliziösen Labelbetreibers, hier fünf Sekunden aus dem Leben von Tupac Shakur. Als Hauptproblem erweist sich aber die Produzententätigkeit der Protagonisten.

Allzu weichgezeichnet erscheinen Ice Cube (O'Shea Jackson Jr, der Sohn des Originals), dessen antisemitische Fehltritte nur für einen kleinen Schmäh zitiert werden, und Dr. Dre (Corey Hawkins), dessen physische Attacken gegen Frauen ignoriert werden, diesen jedoch mittlerweile zu einer bedauernden Stellungnahme nötigten. Die Bandkollegen DJ Yella (Neil Brown, Jr.) und MC Ren (Aldis Hodge) verkommen zu Stichwortgebern. Einzig Eazy-E (Jason Mitchell) wird mit jenem Charisma gezeigt, das von einem Entertainer – und als solche sind auch N.W.A. zu sehen – erwartet werden kann. Der großmäulige Dealer als unerwarteter Popstar bildet mit seiner "Street Smartness" und seinen Zweifeln das Herz des Films, wie er auch als Herz von N.W.A. gezeigt wird.

Nach dem Zerfall der Band sieht man ihn einsam durch die Stadt streifen, wo Plakate vom großen Erfolg des Debütalbums Dr. Dres künden. Da kommen selbst einem Gangster die Tränen. (Dorian Waller, 27.8.2015)