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Der Abbau der Teersände in Kanada sorgt international für Kritik.

Foto: AP/Rick Bowmer

Kanada muss sich beim Klimawandel auf eine immer größer werdende Kluft zu den Vereinigten Staaten einstellen. Es sei denn, Kanada bekommt die "übermäßigen Emissionen" durch die Förderung der Alberta-Teersände in den Griff. Das meint zumindest John Podesta, Berater von Barack Obama und Hillary Clinton. Podesta sagte in einem Gespräch mit dem "Guardian", dass Kanada mehr tun müsse, um die Folgen durch den Abbau der CO2-Teersände vor der wichtigen UN-Konferenz in Paris im Dezember auszugleichen. Diese hat eine internationale Vereinbarung zur Bekämpfung des Klimawandels zum Ziel.

"CO2-Bomben"

Der kanadische Premierminister Stephen Harper ist ein Fürsprecher der Ausweitung der kontrovers diskutierten Förderung der Teersände; diese zählen zu den 14 sogenannten CO2-Bomben weltweit. Dabei handelt es sich um enorme Reserven fossiler Brennstoffe, deren Förderung und Verbrennung es unmöglich machen könnte, den Temperaturanstieg auf zwei Grad Celsius zu begrenzen. Darüber hinausgehende Temperaturanstiege würden irreversible Klimaveränderungen zur Folge haben.

Keine Anzeichen für Ausgleich

Podesta, der das Weiße Haus Anfang des Jahres verlassen hat, um Clintons Präsidentschaftswahlkampf für 2016 zu leiten, sagte zum "Guardian": "Ich glaube, dass es einen CO2-Aufschlag auf Öl geben wird, das aus Ölsand hergestellt wird. Und ich glaube, dass weitere Strategien folgen müssen. Anderenfalls würde diese Strategie vermutlich übermäßige Emissionen zur Folge haben."

Er habe noch kein Anzeichen dafür gesehen, dass Kanada geplant habe, einen Ausgleich für diese zusätzlichen Emissionen aus der Teersandförderung zu schaffen: "Ich glaube, und das ist meine persönliche Sicht der Dinge und nicht die der Regierung, ich habe keine weitere Entwicklung vonseiten der Kanadier zu diesem speziellen Zeitpunkt feststellen können."

Vermarktung von Öl aus Teersand

Kanada gilt aktuell als größter Umweltverschmutzer pro Kopf, was auf die Teersandvorkommen zurückzuführen ist, die die weltweit drittgrößten Reserven nach Saudi-Arabien und Venezuela sind. Die Regierung hat sogar angekündigt, die Förderung mehr als zu verdoppeln.

Harper hat viel Lobbyarbeit geleistet, um neue Wege zu finden, das Öl aus Teersand zu vermarkten. Er ist ein Fürsprecher von Keystone XL, einem umstrittenen Projekt, um Rohöl von Alberta zu Raffinerien an der texanischen Golfküste und in andere Pipelines zu pumpen.

Sechsjährige Überprüfungsphase des Keystone-Projekts

Das US-Außenministerium befindet sich nach einer mehr als sechsjährigen Verzögerung in der Endphase der Überprüfung des Keystone-Projekts. Die Pipeline gilt als die umstrittenste Umweltentscheidung, die Barack Obama zu treffen hat. Er hat gesagt, dass er Keystone ablehnen wird, wenn das Projekt den Klimawandel verstärkt.

Harpers Werbung für die Ölindustrie wird gemeinhin für die schwachen kanadischen Ziele vor Paris verantwortlich gemacht. Podesta, der nach einem Auftritt bei der UN-Konferenz über nachhaltige Energien mit dem "Guardian" sprach, sagte, dass "es sich noch zeigen wird", ob Kanada seine Klimaziele für 2030 einhalten könne.

Die Ziele für 2030, die Anfang August enthüllt wurden, sind weniger ehrgeizig als jene von Obama – und auch als Kanadas frühere Ziele: Kanada verpflichtet sich zu einer Verringerung um 30 Prozent auf Basis der Werte von 2005.

2020er-Ziele vermutlich verfehlt

Allerdings zeigt die von der kanadischen Regierung selbst erstellte Untersuchung, dass das Land bereits seine 2020er-Ziele – eine Verringerung der Emissionen um 17 Prozent auf Basis der Werte von 2005 – verfehlen wird, überwiegend aufgrund des Öls aus Teersand.

Die Teersände sind die am schnellsten wachsende Quelle für Kanadas CO2-Emissionen und machen geschätzt 80 Prozent von Kanadas zulässigem CO2-Ausstoß im Jahr 2050 aus, gemessen an seinen bereits gemachten Klimazusagen, nach einer Untersuchung, die im August für die Stadtverwaltung von Vancouver erstellt wurde. Harper steht im Oktober zur Wahl, und Vertreter der Vereinten Nationen haben in einem vertraulichen Gespräch ihre Hoffnung auf einen Regierungswechsel noch vor Paris ausgedrückt.

Macht der Konservativen verringert

Mit der Amtseinführung von Rachel Notley und ihrer New Democratic Party in Alberta hat im Mai ein neues Zeitalter begonnen, das die seit 44 Jahren bestehende Macht der Konservativen in der Provinz durchbrochen hat. "Das sind gute Nachrichten für diejenigen, die gegen Keystone kämpfen", sagt Elizabeth May, die Bundesvorsitzende der Green Party of Canada.

Notley hat gesagt, dass sie die intensiven Lobby-Bemühungen für Keystone XL einstellen wolle – eine Entscheidung, die dem Weißen Haus mehr Rückendeckung gab, um das Projekt abzulehnen, sagt May. "Damit kann Präsident Obama noch mehr anfangen." Jedoch warnt May, es sei nicht davon auszugehen, dass Notley den Teersandabbau insgesamt eindämme.

Nicht prinzipiell Teerölgeschäft einstellen

"Es handelt sich hier nicht um Hugo Chávez – es handelt sich um die Mitte einer politischen Partei, die die Regierung in einer Provinz stellt und die nicht gegen die Industrie in den Krieg ziehen will", sagt May. "Für die Menschen außerhalb Kanadas ist es wichtig, zu verstehen, dass Rachel Notley nicht das Teersandölgeschäft einstellen will oder Nein zu jeder Pipeline sagt."

Podesta würde nicht auf die Zukunft von Keystone XL wetten – das noch zur Bearbeitung bei Obama anhängig ist. Er hat jedenfalls die Feststellung der Internationalen Energiebehörde und anderer Behörden zitiert, die verlautbaren ließen, dass der größte Teil der bekannten Öl-, Gas- und Kohlenreserven im Boden bleiben müsse, um katastrophale Klimaänderungen zu verhindern.

"Wenn Sie all diese Ressourcen fördern und alle bekannten gutachterlich geprüften Ressourcen auf der ganzen Welt, dann werden Sie das Zwei-Grad-Celsius-Ziel kaum erreichen können", betont Podesta. (Suzanne Goldenberg @suzyji, 2.9.2015)