Justin Gatlin ist quasi der schönste Beweis dafür, dass Doping nichts bringt. Seit nämlich der zweimal wegen illegaler Stärkung gesperrt gewesene New Yorker wieder offiziell sauber ist, läuft er so schnell wie noch nie. Es wäre keine Überraschung, wenn "Gatlin Gun" am Sonntag in Peking die jahrelange Sprintherrschaft von Usain Bolt beendete, wenn er den Jamaikaner im direkten Duell als Weltmeister über 100 Meter ablöste.

Gatlin verkörpert nur die Spitze der Chuzpe, denn in praktisch jeder Disziplin dieser WM mischen – abgesehen von bloß seit je Verdächtigen – tatsächliche ehemalige Doper mit. Im besten Fall unter Bedauern alter Fehler. Da nimmt es nicht wunder, dass die olympische Kernsportart Leichtathletik zusehends in den Ruf gerät, der den Radsport seit Jahr und Tag schmückt.

Der einschlägige Sumpf wurde im Windschatten des notwendigen Aufhebens um den verseuchten Radsport mit den Jahren immer tiefer. Der zuständige Weltverband wachte milde über seine Schäfchen, langjährige Sperren waren die Ausnahmen, die freizügige Regelauslegungen bestätigten. Und selbst Sebastian Coe, der als Reformer angetreten ist, glaubte für seine Wahl zum Weltverbandspräsidenten die Meinung vertreten zu müssen, dass wohlbegründete Dopinganschuldigungen einer "Kriegserklärung" gegen seinen Sport gleichkämen. Ja, eh. Man braucht sich ja nur Gatlin anzuschauen. (Sigi Lützow, 20.8.2015)