PRO: Pack die Badehose ein

von Oona Kroisleitner

Es ist heiß. Es wird geschwitzt. Über kaum ein Thema wurde in den vergangenen Tagen mehr geredet. Dabei ist es jeden Sommer eigentlich das Gleiche: Wenn es regnet, wird darüber gemault, dass es zu kalt, zu nass, zu grau ist. Alle vermissen den richtigen Sommer – die Sonne, das Schwitzen und die Hitze. Sind die warmen Tage da, werden sie zur Hitzewelle. Zur Katastrophe. Es ist zu heiß, zu sonnig. Gespräche beginnen mit dem mangelnden Schlaf ob der Temperaturen, anscheinend bekommt keiner mehr ein Auge zu. Das Wetter, das sich alle gerade noch gewünscht haben, ist plötzlich eine Qual.

Dabei bringt die Hitze die schönsten Seiten des Lebens zum Vorschein. Etwa die Kindheitserinnerungen, die beim kollektiven Eisschlecken im Büro hochkommen. An Zeiten, in denen man sich keine Sorgen über Hautkrebs und Klimawandel machen musste. Als der einzige Stress der war, dass Mama am italienischen Strand die Schwimmflügerln schnell genug aufgeblasen hat, um sich in die Wellen zu stürzen. Oder man freut sich schlicht darüber, dass die Wäsche in Rekordzeit trocknet, und kauft sich mit dem Geld, das man an Heizkosten spart, einen Spritzer im Schanigarten.

Es wird in den nächsten Sommern nicht kälter werden. Vielleicht verzichtet man also auf das Raunzen und tut es der 1951 achtjährigen Conny Froboess gleich, wenn sie singt: "Pack die Badehose ein, nimm dein kleines Schwesterlein, und dann nichts wie raus am Wannsee." (Oona Kroisleitner, 10.8.2015)

KONTRA: Thermischer Stress

von Michael Matzenberger

Wenn es Ihnen gerade unangenehm warm ist, wird eine ISO-Norm nicht erfüllt. ISO 7730, das ist die Vorgabe für thermische Behaglichkeit, also "den Umstand, unter dem Zufriedenheit mit der thermischen Umgebung ausgedrückt wird". Was als angenehm empfunden wird, ist freilich nicht nur eine Frage der Lufttemperatur auf dem Thermometer, sondern auch der Kleidung und der Aktivitäten, der Luftfeuchte und der Luftströmungen. In Wahrheit ist die Zufriedenheit selbst bei gleichen äußeren Einflüssen von Körper zu Körper stark unterschiedlich ausgeprägt. Grob aber kann man sagen, dass wir Menschen es zwischen 18 und 24 Grad Celsius am liebsten haben. Über 29 Grad beginnt es, ungemütlich zu werden. Ab 38 Grad wird es gefährlich. An dieser Schwelle befinden wir uns derzeit. Wer da Wohlbefinden herbeiredet, ist womöglich schon Opfer des thermischen Stresses geworden.

Raunzen aber ist auch weder befriedigend noch zielführend, weil sich das Wetter ohnehin nicht ändern lässt. Das Klima ließe sich vielleicht noch in Ordnung bringen, damit Extreme wie dieses die Ausnahme bleiben. Vielleicht ist es aber auch dafür schon zu spät, und der menschengemachte Klimawandel hat den Punkt ohne Wiederkehr bereits erreicht. 2015, so beginnt ein aktueller Essay im "Rolling Stone" mit einem saloppen Sprichwort, könnte für künftige Historiker das Jahr sein, in dem "die Scheiße auf den Ventilator traf". Das wäre nicht nur thermisch unbehaglich. (Michael Matzenberger, 10.8.2015)