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Saif al-Islam beobachtete bereits im Mai des vergangenen Jahres seinen Prozess von Zintan aus.

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Ein Bild aus vergangenen Tagen: Saif al-Islam al-Gaddafi war mit dem ehemaligen Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider befreundet und hatte auch sonst beste Kontakte nach Österreich.

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Tripolis/Kairo – Jener Angeklagte, der am Dienstag im Zentrum des Interesses stand, war nicht unter den Angeklagten im Gerichtssaal in Tripolis. Saif al-Islam, Sohn des ehemaligen libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi und einst als dessen designierter Nachfolger gehandelt, sitzt stattdessen in einer Zelle in der Stadt Zintan in den Nafusa-Bergen.

Dort wird er von einer Miliz festgehalten, die ihn seit seiner Ergreifung im Jahr 2011 als Faustpfand hält. Die Zintani hatten während des Prozesses, der über ein Jahr gedauert hatte, aber zumindest ermöglicht, dass Saif hin und wieder per Videolink in den Gerichtssaal von Tripolis zugeschaltet wurde.

Bestätigung durch höhere Instanz nötig

Der vorsitzende Richter verkündete Dienstagfrüh in einer vom Fernsehen übertragenen Sitzung die Urteile und betonte, sie würden vollstreckt. Der nicht anwesende Saif und acht im Gerichtssaal erschienene Mitangeklagte erhielten die Todesstrafe durch Erschießen. Allerdings müssen die Urteile zuerst noch von einer höheren Instanz bestätigt werden.

Die prominentesten Namen unter den Verurteilten sind neben Saif al-Islam der ehemalige Geheimdienstchef Abdullah al-Sanussi und der letzte Regierungschef Baghdadi al-Mahmudi. Ein anderer enger Gaddafi-Vertrauter war vor zehn Tagen in der Haft verstorben.

Verbrechen im Bürgerkrieg

Gegen weitere zwei Dutzend hochrangige Regimeexponenten wurden Haftstrafen ausgesprochen. Vier kamen frei. Die Verurteilten waren für schuldig befunden worden, Zivilisten getötet, zum Bürgerkrieg angestiftet, Söldner rekrutiert und bewaffnete Banden gebildet zu haben. Die meisten Vorwürfe betrafen die Zeit während der Revolution im Jahr 2011 und der bürgerkriegsähnlichen Wirren, die zum Sturz des Regimes und zu Gaddafis Tod geführt hatten. Im Laufe des Verfahrens waren 200 Zeugen gehört und 40.000 Seiten an Dokumenten gesichtet worden.

Zum Auftakt hatten sich vor allem Opfer der über 40 Jahre währenden Gaddafi-Diktatur – etwa die Anhänger des Gefängnismassakers von Abu Selim – Aufklärung und Gerechtigkeit versprochen. Der Prozess hat diese Erwartungen nicht erfüllt, denn auch die Justiz ist in den Strudel des allgemeinen Chaos geraten.

Kein Umbau in der Justiz

Unter dem Druck bewaffneter Milizen hatte etwa das Verfassungsgericht im Rahmen des laufenden Machtkampfes das demokratisch gewählte Parlament für nicht legal erklärt und damit die institutionelle Anarchie maßgeblich mitverschuldet. Das Gericht, das nun seine Urteile über Gaddafi und dessen Mitangeklagte fällte, habe mit Parteien nichts zu tun, hatte daher ein Gerichtssprecher am Dienstag versucht zu beteuern.

Kommt dazu, dass eine Reform der Justiz, die vor der Revolution des Jahres 2011 für Schauprozesse bekannt war, nie stattgefunden hat. Die Anwälte machten publik, dass ihre Mandanten geschlagen worden seien und es an medizinischer Versorgung gefehlt habe. Human Rights Watch (HRW) monierte, dass Saif al-Islam nur beschränkten Zugang zu seinen Verteidigern gehabt habe.

Kein faires Verfahren

Nach dem Richterspruch vom Dienstag erklärte HRW, die Opfer des Aufstandes von 2011 würden Gerechtigkeit verdienen, die nur in einem fairen und transparenten Verfahren erbracht werden könne. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag besteht deshalb weiterhin auf der Auslieferung von Saif, damit ihm dort ein Verfahren nach internationalen Standards gemacht werden kann.

Auch das Justizpersonal hat unter Drohungen zu leiden. Richter wurden in den vergangenen Monaten Opfer von Entführungen und politischen Morden. Erst diese Woche wurde ein Richter in der Nähe der Stadt Sirte von der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) entführt. Als illegal bezeichnete den Prozess deshalb auch der Justizminister der international anerkannten libyschen Regierung in Tobruk, weil die Richter in Tripolis unter Druck gehandelt hätten. Sie würden unter Androhung von Waffengewalt arbeiten. Justizminister Al-Mabrouk Ghraira Omran rief die internationale Gemeinschaft auf, die Urteile nicht zu akzeptieren. (Astrid Frefel, 28.7.2015)