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Bilder nach einem Anschlag auf eine Kirche im Norden Nigerias. Abubakar Shekau, Anführer der Terrormiliz Boko Haram, überbrachte im März per Audiobotschaft an den "Islamischen Staat" (IS) seinen Treueschwur. Der IS nahm an und rief Kämpfer aus aller Welt auf, sich der Terrorgruppe anzuschließen. Seither nennt sich Boko Haram auch "Islamischer Staat, Provinz Westafrika". Das Entstehen einer überregionalen Kampfachse gibt Beobachtern Anlass zur Sorge.

Foto: AP Photo/Adamu Adamu Damaturu

Abuja – Boko Haram, die Terrorgruppe, die seit 2009 im Norden Nigerias ihr Unwesen treibt, ist längst kein regionales Phänomen mehr. Seit Beginn des Jahres 2015 tragen die islamistischen Extremisten Gewalt auch über die Grenzen Nigerias hinaus. Schlag auf Schlag kommen derzeit die Meldungen über Angriffe und Attentate. Boko Haram hat mittlerweile außerdem dem "Islamischen Staat" (IS) Treue und Gefolgschaft geschworen. Das Entstehen einer überregionalen Kampfachse gibt Beobachtern Anlass zur Sorge, nicht zuletzt, weil Boko Haram auch Verbindungen zu den Al-Shabaab-Milizen in Somalia und der Salafistengruppe Al-Kaida im Maghreb nachgesagt werden.

Vergeltungsangriffe

Eine mehr oder weniger gemeinsame Militäroffensive, an der sich Nigeria, der Tschad, Kamerun und Niger beteiligten, hat zwar zwischenzeitliche Erfolge gegen die Radikalen verbuchen können, Boko Haram konnte die Gewalt aber wieder intensivieren. In den vergangenen Tagen allein wurden in Nigeria und Kamerun bei Angriffen und Selbstmordattentaten mehr als 60 Menschen getötet.

Doch auch verbündete Staaten wie Niger und Tschad wurden Ziel der Vergeltungsangriffe. Bei einem Selbstmordanschlag in der tschadischen Hauptstadt N'Djamena wurden Mitte Juli mindestens 15 Menschen getötet. Im Juni griff Boko Haram zwei Dörfer in Niger an, mindestens 38 Menschen kamen ums Leben. Ein neues Phänomen: Immer häufiger werden junge Mädchen von Boko Haram als Selbstmordattentäterinnen missbraucht.

Die aktuelle Gewaltserie kann man auch als unmissverständliche Botschaft und Kampfansage an Nigerias neuen Präsidenten Muhammadu Buhari deuten. Buhari war mit dem Versprechen angetreten, entschiedener gegen Boko Haram vorzugehen als sein Vorgänger Goodluck Jonathan. Dem Ende März abgewählten Goodluck Jonathan wird vorgeworfen, durch Ignoranz und Unkoordiniertheit den Aufstieg von Boko Haram zu internationaler Relevanz erst möglich gemacht zu haben. Zu lange habe es keinerlei militärische Strategie gegen die massive Gewalt der Terrorgruppe gegeben. Zusätzlich muss sich das nigerianische Militär Vorwürfe gefallen lassen, die Bevölkerung drangsaliert und selbst massive Menschenrechtsverstöße begangen zu haben.

Neue Hoffnung

Präsident Buhari verspricht eine Untersuchung der Vorwürfe und hat mittlerweile die Militärführung ausgetauscht. Außerdem befahl er nach seiner Amtsübernahme Ende Mai, die militärische Einsatzzentrale für den Kampf gegen Boko Haram von der Hauptstadt Abuja hin zu den umkämpften Gebieten im Nordosten zu verlegen.

Buhari – der sich selbst als "konvertierter Demokrat" bezeichnet – gilt zwar im Westen als Hoffnungsträger, noch steht seine Strategie aber auf wackeligen Beinen. Bisher hat er – seit 29. Mai 2015 im Amt – noch nicht einmal Minister ernannt. Das will er bis September erledigt haben. In der "Washington Post" rechtfertigte sich Buhari für sein langsames Vorgehen. "Mir ist klar, dass die Welt darauf wartet, Beweise dafür zu sehen, dass meine Regierung anders ist als alle ihre Vorgänger. Aber mein Land nach so vielen Jahren der Misswirtschaft zu reformieren ist nicht über Nacht zu schaffen", schrieb er in einem Beitrag Mitte Juli.

Chronisch unterfinanziert

Kommentatoren sind sich einig. Militärisch kann Buhari einen Erfolg gegen Boko Haram nur mit internationaler Unterstützung erzielen. Und damit sind nicht nur die Afrikanische Union und die Nachbarstaaten gemeint, die bisher äußerst unkoordiniert im Einsatz waren, sondern vor allem westliche Partner. Eine systematische, finanziell gut ausgestattete, grenzüberschreitende Operation wäre Experten zufolge besonders wichtig. Der Einsatz einer 8.700 Mann starken Eingreiftruppe der Afrikanischen Union, die bereits im März beschlossen wurde, verzögert sich weiterhin.

Als Buhari vergangene Woche US-Präsident Barack Obama in Washington besuchte, bekam er dort zwar verbale Vorschusslorbeeren und gute Ratschläge, eine massive Ausweitung der militärischen Unterstützung für Nigeria gilt aber als unwahrscheinlich, nicht zuletzt wegen der mutmaßlichen Menschenrechtsverletzungen der nigerianischen Sicherheitskräfte. Zumindest gibt es aus dem französischen Élysée-Palast die Zusage, "die logistische Unterstützung der Tschadsee-Länder fortzusetzen". (mhe, 28.7.2015)