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Österreichs Rauchfangkehrern könnte das Glück der geregelten Tarife und des mageren Wettbewerbs abhandenkommen. Luxemburg zweifelt an der Vereinbarkeit mit der Dienstleistungsfreiheit.

Foto: apa / pfarrhofer

Wien – Gebhart Hiebler hat aufgehört zu zählen, wie viele Anzeigen gegen ihn in sein Haus flatterten. "60 bis 70 werden es wohl sein, ein ganzer Kasten ist voll damit", sinniert der Tiroler, den einst die Liebe nach Kärnten führte. Seit drei Jahrzehnten ist er Rauchfangkehrermeister. Von Moosburg aus fegt er mit einem kleinen Betrieb die Schornsteine seiner Kunden.

Zum Missfallen der Konkurrenz wagte sich Hiebler dabei immer wieder in fremde Kehrgebiete vor. Und musste sich dafür von seiner Zunft nicht nur "damischer zua- graster Teifel" schimpfen lassen, wie er nicht ohne Humor erzählt, sondern auch einem juristischen Feuerwerk standhalten.

Gut 100.000 Euro habe ihn der Konflikt bisher gekostet, rechnet der Handwerker vor. Seine Hartnäckigkeit macht sich für ihn nun jedoch offenbar doch bezahlt. Der umstrittene Gebietsschutz für Österreichs Rauchfangkehrer steht auf der Abschussliste des Europäischen Gerichtshofs.

Strikt aufgeteilt

Wie Apotheker und Notare genießen Kaminfeger das Privileg einer territorialen Regelung. Ihr Arbeitsfeld in den Bundesländern ist strikt aufgeteilt in Kehrgebiete; deren neun gibt es allein in Kärnten. Maximal vier Betriebe dürfen dort jeweils die Haushalte bedienen. Die Grenze öffnet sich nur im Falle einer Unterversorgung mit regionalen Anbietern. So will es die traditionelle Gewerbeordnung.

Die Kehrtarife sind per Gesetz nach oben gedeckelt. Jedes Bundesland pflegt hierfür eigene Regeln. Schließlich seien ja auch die Heizgewohnheiten je nach Region andere, argumentiert die Branche.

Doch seit dieser Woche ist alles anders. Der Generalanwalt des Gerichtshofs, Maciej Szupnar, hält die Gebietsbeschränkungen für nicht EU-rechtskonform und daher unzulässig. Was bedeutet: Nicht nur österreichische Rauchfangkehrer sollten ihm zufolge ohne regionale Grenzen quer durchs Land kehren dürfen, sondern auch Betriebe aus anderen EU-Staaten.

Bürgermeister als Feuerpolizei

In Vorahnung auf Probleme hat Österreichs Nationalrat den Markt vor wenigen Monaten teilliberalisiert: Die freie Wahl des Fegers ist nun zumindest in jenen Bereichen erlaubt, die als nicht sicherheitsrelevant gelten. Was bei Rauchfangkehrer Hiebler Kopfschütteln auslöst: Schließlich sei ja alles, was seine Zunft anfasse, sicherheitsrelevant. Auch hier hat er Luxemburg indirekt auf seiner Seite. Nicht der Schornsteinfeger, sondern der Bürgermeister sei für feuerpolizeiliche Aufgaben zuständig, heißt es da. Ersterer habe nur eine helfende Rolle.

Der Schlussantrag des Generalanwalts ist nicht bindend, doch in den überwiegenden Fällen wird ihm Folge geleistet. Das endgültige Urteil des Gerichtshofs wird in drei bis sechs Monaten erwartet.

Hiebler freut sich über die juristische Rückendeckung. "Ich habe für Bürgerrechte gekämpft", sagt er, "die Leute zahlen eh schon genug, da werden sie sich wohl noch den Rauchfangkehrermeister aussuchen dürfen." Seiner Erfahrung nach würden Kunden immer wieder "über den Tisch gezogen". Seine Branche habe als Kaminsanierer nämlich durchaus Macht.

Der Bundesverband und einzelne Landesinnungen sind ob der neuen Entwicklungen überrascht und wollen die Sache erst prüfen.

Bewegung bei den Preisen

Brüssel habe im Zuge der jüngsten Änderung in der Gewerbeordnung gerade erst signalisiert, dass alles in Ordnung sei, wundert sich etwa Wiens Innungsmeister Josef Rejmar. Fällt der Gebietsschutz, sei das nicht im Sinne der Konsumenten und der Sicherheit, warnt der Chef des Bundesverbands, Peter Engelbrechtsmüller. Er rechnet mit starken Preiserhöhungen: Die Zahl der Betriebe werde sinken, die Verbliebenen hätten längere Anfahrtswege. "Was das kostet, kann sich jeder ausrechnen."

Marktforscher Andreas Kreutzer, der den Markt auf seine Kapazitäten abgeklopft hat, begrüßt die Anträge der EU. "Der nachweislich gedämpfte Wettbewerb kostet Österreichs Haushalte in Summe zweistellige Millionenbeträge", ist er überzeugt. Abgesehen von Zeit, die man sich für die Kehrbesuche nehmen müsse. Diese seien eine Dienstleistung und gehörten an die Bedürfnisse der Kunden angepasst. Dass sich die Zahl der Anbieter verringern könnte, beunruhigt ihn nicht. "Die Kamine werden immer weniger, den Rauchfangkehrern bricht ohnehin die Arbeit weg." (Verena Kainrath, 16.7.2015)