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Der belgische Ex-Premier Guy Verhofstadt begeistert das Netz mit einer Wutrede

Foto: Reuters/Kessler

Das EU-Parlament ist wohl einer der letzten Orte, an denen man die Entstehung viraler Videos vermuten würde. Vielleicht, wenn ein EU-Abgeordneter sich während einer Rede durch einen peinlichen Versprecher blamiert oder beim Gang aufs Podium stolpert – doch eine Wortmeldung mit politischem Inhalt? Die Griechenland-Krise belehrt Skeptiker jedoch eines Besseren: Erstmals wird der Inhalt einer Debatte im EU-Plenum in sozialen Netzwerken wie ein Lauffeuer verbreitet.

Verhofstadt ist empört

Konkret handelt es sich um eine Rede des liberalen Abgeordneten Guy Verhofstadt, der bis 2008 belgischer Premier war. Leidenschaftlich wendet sich Verhofstadt an den griechischen Premier Tsipras, der diese Woche zu Gast im EU-Parlament war. "Wir schlafwandeln Richtung Grexit", schreit Verhofstadt, "jetzt laufen wir sogar darauf zu." Der EU-Abgeordnete moniert, dass keine konkreten Reformvorschläge aus Griechenland gekommen sind und immer noch eine Vielzahl von Privilegien bestünde. "Auch wenn sie Privilegien mögen", sagt er dann in Richtung seiner Kollegen, "ich mag sie nicht!"


Klare Sprache

Im Internet stößt Verhofstadt auf großen Zuspruch. Die Süddeutsche Zeitung sieht dafür drei Gründe: Erstens nimmt man dem belgischen Politiker die Emotionalität ab. Zweitens ist Tsipras direkt anwesend, Nutzer können die Reaktion des griechischen Premiers im Video beobachten. Drittens ist Verhofstadts Rede in klaren, einfachen Worten gehalten. Er entscheidet sich, auf Englisch zu sprechen, statt auf die Simultanübersetzer zu vertrauen.

Millionen Klicks

Ob Verhofstadt inhaltlich richtig liegt, ist natürlich eine andere Frage. Doch das Video zeigt, dass das Thema in Europa sehr viele Menschen bewegt. Denn das Video wurde bereits über 5,5 Millionen Mal abgerufen – neuer Rekord für das EU-Parlament. Inzwischen hat die griechische Regierung übrigens konkrete Reformvorschläge vorgelegt, die starke Einsparungen vorsehen und wohl zu einem Deal mit den EU-Institutionen führen werden. Verhofstadt kann sich also beruhigen. (fsc, 10.7.2015)