Der Plan der deutschen Regierung zur Einsetzung eines Ermittlers in der Spionageaffäre hat im NSA-Untersuchungsausschuss zu einem Zerwürfnis geführt. Unter Protest der Opposition stimmten die Vertreter der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD am Donnerstag dem Vorschlag des Kanzleramts zu, wonach eine "Vertrauensperson" anstelle der Ausschussmitglieder Einblick in die US-Spionageliste nehmen soll.

Kritik: Verfassungswidrig

Grüne und Linke kritisierten das Verfahren als verfassungswidrig und verweigerten eine Beteiligung. Vertreter der Koalitionsparteien äußerten die Hoffnung, die "Vertrauensperson" doch noch im Einvernehmen mit der Opposition zu benennen und mit einem Untersuchungsauftrag auszustatten. Der SPD-Abgeordnete Christian Flisek warnte Grüne und Linke vor einer "Komplettblockade des gesamten Verfahrens". Die CDU-Parlamentarierin Nina Warken rief die Opposition auf, an der Benennung der "Vertrauensperson" mitzuwirken, auch wenn sie das Verfahren grundsätzlich ablehne.

Union und SPD wollten in der Angelegenheit weiter mit der Opposition sprechen, hieß es am Rande der Ausschusssitzung von Koalitionsabgeordneten. Der nun gefasste Beschluss zum weiteren Vorgehen könne noch abgeändert werden.

Auch sei bewusst noch kein Personalvorschlag für die "Vertrauensperson" gemacht worden, um der Opposition die Mitwirkung an der Benennung zu ermöglichen. Allerdings müsse eine gemeinsame Lösung vor Beginn der parlamentarischen Sommerpause Anfang Juli stehen, da der Beauftragte über den Sommer Einblick in die streng geheime US-Spionageliste nehmen solle.

Ausschussmitglieder sollen keinen Einblick erhalten

Den Ausschussmitgliedern will die deutsche Regierung diesen Einblick verweigern. Der Grünen-Abgeordnete Christian Ströbele bezeichnete dieses Vorgehen als "dunkle Stunde für das Parlament". Sollte es Schule machen, "dass das Bundeskanzleramt bestimmt, wie die Aufklärung gemacht wird, dann können wir unsere Kontrollarbeit nicht leisten". Ströbeles Fraktionskollege Konstantin von Notz sagte: "Die Rechte, die man hier abschafft, sind die Rechte, die einem morgen fehlen."

Die Linken-Abgeordnete Martina Renner schloss für ihre Fraktion aus, bei der Benennung der "Vertrauensperson" mitzuwirken. Ein vom Ausschuss benannter, aber von der Regierung offiziell eingesetzter Beauftragter sei ein Versuch des Kanzleramts, "diesen Ausschuss aus dem Hintergrund zu orchestrieren".

Grüne und Linke wollen gemeinsam vor dem deutschen Verfassungsgericht klagen. Sie argumentieren, dass der Ausschuss das Recht habe, selbst die geheime Selektorenliste einzusehen. Die Liste verzeichnet Ziele, für deren Ausspähung der US-Dienst National Security Agency (NSA) den deutschen Bundesnachrichtendienst (BND) einspannte.

Verstöße gegen Vereinbarung sind "Fakt"

Die Selektorenliste war auch Thema bei der Zeugenbefragung im Ausschuss. Der Geheimdienstbeauftragte im Kanzleramt, Klaus-Dieter Fritsche, räumte ein, dass manche der Spähaktionen im Auftrag der NSA gegen deutsche Interessen und gegen getroffene Vereinbarungen verstießen. "Das ist Fakt", sagte Fritsche. "Dass Verstöße gegen deutsches Recht vorliegen, ist zweifelhaft", fügte er aber hinzu.

Fritsche bestritt, bereits vor zehn Jahren von verdächtigen NSA-Spionagezielen wie etwa europäischen Unternehmen erfahren zu haben. Der frühere BND-Chef Ernst Uhrlau hatte kürzlich vor dem Ausschuss ausgesagt, das Kanzleramt möglicherweise bereits 2006 über solche verdächtigen Suchbegriffe informiert zu haben. Fritsche war damals Leiter der Geheimdienstabteilung im Kanzleramt.

"Ich halte es für unwahrscheinlich, dass er mir das gesagt hat", sagte Fritsche im Hinblick auf Uhrlau. Genau erinnern könne er sich aber nicht. Nach Fritsche wollte der Ausschuss am Donnerstag noch den deutschen Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) als Zeugen vernehmen. (APA/AFP, 18.6.2015)