Für Politikwissenschafterin Kathrin Stainer-Hämmerle war die Entmachtung des Salzburger Klubobmanns Karl Schnell nur eine Frage der Zeit.

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STANDARD: Die Querelen in Salzburg bedeuten für die FPÖ nicht die erste Abspaltung. Stecken persönliche Streitigkeiten und Zerwürfnisse den Freiheitlichen in den Genen?

Stainer-Hämmerle: Es gibt dafür zwei Ursachen: Einmal die verschiedenen ideologischen Flügel innerhalb der Partei, von Deutschnationalen über Wirtschaftsliberale bis hin zu sozialliberalen Wurzeln. Auf der anderen Seite ist in der Struktur der Partei verankert, dass sie stark auf den Parteichef ausgerichtet ist. Die Freiheitlichen sind jene Partei, die am stärksten zentralisiert und auf eine Führungsperson fokussiert ist. Persönliche Streitereien brechen da eher hervor, weil zu wenig Raum für andere bleibt.

STANDARD: Hat sich die Salzburger Gruppe um den ausgeschlossenen Klubobmann Karl Schnell ins politische Aus manövriert, oder kann eine solche Parallelstruktur auch ein paar Jahre lang bestehen, so wie in Kärnten?

Stainer-Hämmerle: Schnell ist ein politisches Stehaufmännchen, aber das ersetzt nicht die Strahlkraft der Bundes-FPÖ, die sich eine Art Oppositionsmonopol aufgebaut hat, das unabhängig von Einzelpersonen ist. Auch Parteiobmann Heinz-Christian Strache ist ja nicht dieses außergewöhnliche politische Talent, wie es ein Jörg Haider war. Eine Abspaltung mit Schnell als Zugpferd kann theoretisch sicher Erfolge erringen in der Größenordnung etwa einer Liste Burgenland, die ja auch eine FPÖ-Abspaltung war (Anmerkung: schaffte jüngst mit 4,8 Prozent den Wiedereinzug in den Landtag). Mit Kärnten und der früheren FPK ist das aber nicht vergleichbar.

STANDARD: Geht die Bundespartei rund um Parteichef Strache aus den Vorgängen in Salzburg gestärkt oder geschwächt hervor?

Stainer-Hämmerle: Unterm Strich war das Timing nicht schlecht, weil es bis zur nächsten Nationalratswahl noch lange hin ist. Salzburg war für die Bundes-FPÖ eine Baustelle, die Landesgruppe war nicht loyal. Die Frage bestand, ob sie bei der nächsten Wahl geschlossen für einen Spitzenkandidaten Strache kämpfen würde. Die mediale Aufmerksamkeit war woanders, im Burgenland und in der Steiermark. Da hat man die Chance genutzt, das schnell über die Bühne zu bringen. Strache hat durchgegriffen. Die offene Frage ist, ob er die Nachfolge in Salzburg in seinem Sinne regeln kann.

STANDARD: Es herrscht der Eindruck, dass die parteiinternen Fliehkräfte immer dann stärker werden, wenn die FPÖ eine gewisse Größe erreicht hat.

Stainer-Hämmerle: In jeder Partei, die Erfolge feiert, wittern Einzelne natürlich die Chance, an Posten mitzunaschen. Was die Partei zerreißt, ist der mögliche Wechsel in die Regierungsverantwortung. Die Freiheitlichen sind stark auf populistische Politik aus der Opposition heraus ausgerichtet. Sobald man einen Schritt weitergeht und sich als regierungsfähig darstellen will, gilt ein bestimmter Flügel nicht mehr als tauglich und muss zurückgedrängt werden.

STANDARD: Geht also das Kalkül auf, die FPÖ wie im Burgenland mit einer Regierungsbeteiligung zu "entzaubern"?

Stainer-Hämmerle: Bisher war es in der Geschichte der Freiheitlichen Partei so. 1986 war die FPÖ in einer kleinen Koalition, als Jörg Haider Parteichef Norbert Steger wegputschte. Bei Knittelfeld und der Gründung des BZÖ war es ähnlich. Eine Partei, die mitregiert, muss viel weitergehende Antworten geben. Haider hat erkannt, dass diese Entzauberung stattfindet, und die Wahlchancen schmälert. Er als gnadenloser Opportunist hat sich Chancen zur persönlichen Machterweiterung nie entgehen lassen.

STANDARD: Im Europaparlament ist die FPÖ bei der neu gegründeten Rechtsaußen-Fraktion mit dabei. Wie lange wird es dauern, bis es auch dort zur Zerreißprobe kommt?

Stainer-Hämmerle: Nicht lange. Man hat ja gesehen, wie schwer sich die Parteien getan haben überhaupt zueinander zu finden. Man kann auf europäischer Ebene zwar nationale Politik machen, aber es wird schwierig für diese Fraktion, in vielen Punkten eine gemeinsame Alternative zu finden. Die EU zu schwächen ist ihr gemeinsames Ziel. Das wird zu wenig sein, wenn es darum geht, Antworten zu finden und Programme zu entwerfen. (Simon Moser, 16.6.2015)