Im Wiener Cabaret Renz, das früher ein legendäres Varieté-Lokal war, hätte der Spitzenkoch Juan Amador Wiens Gastroszene aufmischen sollen. Sein Restaurant Amador war in Deutschland seit vielen Jahren mit drei Michelin-Sternen bewertet, in der Leopoldstadt wollte er im Herbst eröffnen, was Hoffnung auf einen Dreisterner in Wien machte. Doch nun lässt er wissen: Er lässt das Projekt im Renz bleiben.

Noch nie wurde ein österreichisches Restaurant mit der – in der Branche als höchste geltenden – Auszeichnung bewertet. Der STANDARD hat mit dem Spitzenkoch, der als einer der Besten in Deutschland gilt, über Beweggründe und seine Pläne in seiner Wahlheimat Wien gesprochen.

STANDARD: Anfang des Jahres haben Sie mit Ihrem geplanten Drei-Sterne-Restaurant in Wien für Aufsehen gesorgt. Nun sind Sie von Ihrer Asien-Reise zurück und distanzieren sich von Ihren Plänen. Wie kommt der Sinneswandel?

Amador: Ich habe mit dem nötigen Abstand in Asien über Vieles nachdenken können und mir einfach überlegt, mich ein bisschen auf mich selbst zu konzentrieren. Ich wollte diesen Drei-Sterne-Krieg einfach nicht nochmal anfangen. Ich habe kein Interesse mehr, irgendwelche Rekorde aufzustellen. Das schränkt meine Lebensqualität extrem ein, und ich muss niemandem etwas beweisen.

STANDARD: Ist es nur der Einklang mit sich selbst, der sie zu dieser Entscheidung veranlasst hat, oder spielen auch die exorbitant hohen Umbaukosten des Cabaret Renz eine Rolle?

Amador: Die Umbauarbeiten haben meine Entscheidung nicht vordergründig beeinflusst. Mit Sicherheit ist es auch ein Aspekt, aber im Vordergrund standen meine eigenen Interessen und meine Neuorientierung. Es ist eigentlich eine rein private Geschichte. Ich möchte mich nach einigen Jahren nun mal an den Spielfeldrand setzen. Ich bin zwar gern beim Match dabei, will aber nicht mehr der Kapitän der Mannschaft sein.

STANDARD: Für die Immobilie haben Sie nun keine Verwendung mehr?

Amador: Ich habe mich ganz von der Immobilie verabschiedet. Wir hatten viele Ideen, die hier einfach nicht gepasst haben. Das Gebäude ist ja sehr baufällig, und da kam eben eine Überraschung nach der anderen. Meine Investoren sind meine Freunde und die Familie. Das konnte ich irgendwann auch nicht mehr guten Gewissens vereinbaren.

STANDARD: Das Restaurant mit einem Sous-Chef zu betreiben wäre keine Option gewesen?

Amador: Wo Amador draufsteht, muss auch Amador drin sein. Ich bin davon überzeugt, dass ich in der Küche stehen muss, wenn das Restaurant meinen Namen trägt. Für andere Dinge bleibt dann aber keine Zeit mehr. Ich habe ja auch einige Projekte in Asien – in Frankfurt betreue ich ebenfalls ein Restaurant. Ich kann mich nicht vierteilen.

STANDARD: In Österreich scheint es unmöglich, als Koch von Michelin mit 3 Sternen bewertet zu werden. Rückt die Hoffnung für andere Restaurants nun wieder in weite Ferne?

Amador: Ich denke, dass es genug Kollegen gibt, die locker 3 Sterne bekommen könnten. In Österreich würden mir vier bis fünf Küchenchefs einfallen, die es von der Qualität her schaffen würden. Da muss nicht extra der Piefke kommen, und den Österreichern zeigen, wie es geht. (schmunzelt)

STANDARD: Sie leben mittlerweile in Wien. Welche Pläne hat Juan Amador, wenn es nicht das erwartete Sternerestaurant ist?

Amador: Mein Lebensmittelpunkt ist Wien, und es wird hier definitiv etwas von Amador geben. Es wird aber kein Sternerestaurant sein. Ich werde mit meiner Kreativität auf jeden Fall noch viel bewegen und arbeite an einem neuen Restaurantkonzept.

STANDARD: Das klingt ein bisschen sprunghaft.

Amador: Die Idee zu einem anderen Konzept, wie zum Beispiel einem Restaurant mit Tapas, hatte ich schon vor vielen Jahren. Dann wollte ich aber doch wieder ein Sternerestaurant. Erst als ich jetzt wieder in Asien war und viel Zeit zum Nachdenken hatte, nicht von anderen beeinflusst, habe ich die Entscheidung getroffen, dass ich so nicht mehr weitermachen will. Natürlich hat jeder erwartet, dass ich jetzt ein Spitzenrestaurant aufmache – das habe ich ja auch so kommuniziert. Doch für wen machen wir das Ganze eigentlich? Wir kochen nicht mehr für uns oder für unsere Gäste. Wir kochen nur noch für die Presse und unser Ego. Wir kochen an den Gästen vorbei. Ich möchte, dass die Gäste glücklich sind und ihr Essen genießen können.

STANDARD: Wann dürfen wir mit Ihrem neuen Konzept rechnen?

Amador: Ich habe es nicht eilig – es muss nicht von heute auf morgen passieren. Es gibt ein paar Ideen und Gespräche, die gelaufen sind. Wenn alles konkreter ist, dann gebe ich gern Bescheid. (Alex Stranig, 15.6.2015)