Für die schlimme Durststrecke, die die SPÖ dieser Tage durchleidet, machen viele Genossen vor allem einen Mann verantwortlich: Reinhold Lopatka, 55, Oststeirer, Klubobmann der ÖVP. Egal, ob man sich am Wiener Ballhausplatz, in der Löwelstraße, im Parlament oder im Grazer Landhaus umhört: Überall bekommt man Klagen über "die Skrupellosigkeit" des Bürgerlichen zu hören. Ein Roter, der hier nicht genannt werden will, beschreibt das angebliche Charakterdefizit Lopatkas recht plastisch: "Er ist jemand, dem man in der Wüste keinesfalls die eigene Wasserflasche überlässt - weil er sich damit garantiert duschen würde."

Das Wiederbeleben seines Rufs als Machtstratege hat der Schwarze, nicht nur studierter Jurist, sondern auch Theologe, zwei aktuellen Aufregern zu verdanken. Sein erster Schachzug: Weil Lopatka zwei umstrittene Abgeordnete des Teams Stronach mit offenen Armen in seinem Klub aufgenommen hat, argwöhnt der Koalitionspartner SPÖ, dass er eine schwarz-blaue Mehrheit im Parlament herstellen will. Damit nicht genug, soll Lopatka nach der rot-schwarzen Wahlschlappe in der Steiermark dem dortigen ÖVP-Chef Hermann Schützenhöfer als Zweitplatziertem den Posten des Landeshauptmannes verschafft haben, indem er im Hintergrund Vorarbeiten für eine schwarz-blaue Koalition leistete.

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Landeshauptfrau Waltraud Klasnic verhalf Lopatka zu enormem Stimmenzuwachs
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Rote Panik

Er selbst weist derzeit alle derartigen Erpressungsmethoden weit von sich - und zwar mit seiner wohlbekannten Unschuldsmiene. Welche Register er in der Steiermark gezogen habe? "Überhaupt keine. Ich habe nur Interviews gegeben, in denen ich gesagt habe, dass mir Schützenhöfer als Landeshauptmann lieber wäre, weil er gut für das Land ist." Wenn das schon ausreiche, um Panik bei den Roten auszulösen, sei das deren Problem.

Die Gerüchte, er bastle an einer schwarz-blauen Übermacht im Hohen Haus, tut Lopatka ebenso ab. Abgesehen von den Stronach-Abtrünnigen Marcus Franz und Georg Vetter habe er niemandem den Wechsel angeboten, außerdem: "Ich würde nie jemanden fragen, der einmal bei der FPÖ oder beim BZÖ war."

"Ich weiß, was ich tue"

Von einem Strippenzieher im Hintergrund, der dieser Tage die SPÖ ziemlich alt aussehen lässt, kann aus seiner Sicht daher keine Rede sein: "Ich weiß, was ich tue - und was ich nicht tue. Die SPÖ soll also nicht Dinge behaupten, sie soll sie belegen."

Wie auch immer die gerüchteumrankten Vorgänge abgelaufen sind, eines steht fest: Es war und ist nicht das erste Mal, dass Lopatka rund um Wahlen verbrannte Erde hinterlässt.

Nachdem er zur Jahrtausendwende der steirischen Landeshauptfrau Waltraud Klasnic als Wahlkampfmanager zu einem Stimmenzuwachs von elf Prozentpunkten verholfen hatte, holte 2002 der berüchtigte Wendekanzler Wolfgang Schüssel den Klubchef im steirischen Landtag für den vorverlegten Urnengang im Bund als Mastermind für den Stimmenfang zu sich.

2002 pushte Lopatka den umstrittenen schwarzen Kanzler Wolfgang Schüssel auf den ersten Platz
Foto: cremer

Gusenbauer als Moskauer Bodenküsser

Auf dem Höhepunkt der schwarzen Propagandaschlacht lief der bis dahin blaue Finanzminister Karl-Heinz Grasser zur ÖVP über, der rote Herausforderer Alfred Gusenbauer wurde als Moskauer Bodenküsser diskreditiert, dem damaligen Obergrünen Alexander Van der Bellen unterstellt, das Land mit "Haschtrafiken" beglücken zu wollen.

Fazit der Schmutzkübelkampagne: satte 42 Prozent und Platz eins für die ÖVP sowie die Neuauflage von Schwarz-Blau.

Als Belohnung stieg Lopatka zum Generalsekretär der ÖVP auf. Zwei Jahre später mischte er beim Kampf um die Hofburg mit, in dem die Volkspartei SPÖ-Kandidat Heinz Fischer, heute Staatsoberhaupt, allzu viele Sympathien für das kommunistische Nordkorea und China unterstellte. Weil der schwarze General offenbar erfolgreich ständig neue Halbwahrheiten zusammenpanschte, machte Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) einmal wütend seinem Ärger über "Lopatkas Giftküche" Luft. Dessen Replik damals: "Ich kann gar nicht kochen."

Wegbegleiter aus der eigenen Partei hingegen berichten, dass sich Lopatka ausführlichst mit Anleitungen für das Negative Campaigning beschäftigt hat - etwa bei USA-Reisen. Intensiv beobachtete er dort auch den Präsidentschaftswahlkampf 2004 zwischen George W. Bush und John Kerry. Bei einem Aufenthalt sprang ihm der noch weitgehend unbekannte Barack Obama ins Auge. Zurück in Österreich berichtete Lopatka seinen Kollegen: "Der wird noch was. Der ist ein Wahnsinn."

Schwarze Ränkespiele

Nicht zuletzt wegen dieser Studien kletterte Lopatka in der Partei weiter die Karriereleiter hoch. Kurzzeit-ÖVP-Obmann Wilhelm Molterer machte ihn 2007 zum Sportstaatssekretär. Unter seinem Nachfolger Josef Pröll avancierte Lopatka ein Jahr später zum Finanzstaatssekretär, obwohl er sich zuvor nur wenig bis gar nicht mit Steuer- und Budgetthemen befasst hatte. Parallel dazu engagierte sich Lopatka stets auch eifrig in der steirischen ÖVP, machte sich dort aber nicht nur Freunde.

Das Verhältnis zu seinem Trauzeugen Schützenhöfer, dessen Sohn im Kabinett Lopatkas arbeitete, soll deswegen zeitweise sehr gelitten haben, erzählt man sich in der Partei. "Lopatka galt als zu ehrgeizig, manche hatten den Eindruck, er säge am Stuhl Schützenhöfers", erzählt ein Schwarzer.

In der SPÖ genießt Reinhold Lopatka seit der steirischen Landtagswahl den Ruf eines Machtstrategen
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Treuer Diener

Beim Thema Ehrgeiz und Karriere neigt Lopatka selbst nicht gerade zu ausführlichen Antworten: "In der Politik ist nur eines gewiss: dass man älter wird." Hintergrund: Unter Michael Spindelegger, der nach dem überraschenden Abgang Prölls im Jahr 2011 die ÖVP-Spitze übernahm, schien das Kapitel Spitzenpolitik für ihn bereits erledigt. Denn zwischendurch musste er als einfacher Abgeordneter in die dritte Reihe zurücktreten.

Die Auszeit währte nicht lange, weil sich der Steirer auch schnell das Vertrauen des neuen Chefs erarbeitete, der ihn 2012 zum Staatssekretär im Außenamt machte. Als seine herausragendste Eigenschaft auf dem Weg nach oben machen ÖVPler die bedingungslose Loyalität zum jeweiligen Chef aus. "Er ist immer ein treuer Diener seines Herrn", sagt einer.

Dabei konnte der junge Lopatka einst ganz anders. In einem Mühle- und Bäckereibetrieb groß geworden, wurde er weniger durch das Elternhaus als in der schwarzen Schülervertretung und der damals recht aktiven linkskatholischen Hochschuljugend politisiert, wie er erzählt. Als engagierter Sprecher der Friedensbewegung, der auch am Wehrdienst rüttelte, wetterte Lopatka noch wortreich gegen den erzkonservativen Parteiobersten Alois Mock, indem er ihn mitunter "einen kraftlosen Bruchpiloten" nannte.

Meister der Intrige

Doch heute, mittlerweile Vater dreier erwachsener Söhne und seit eineinhalb Jahrzehnten in der Spitzenpolitik sowie parlamentarischer Willensvollstrecker von ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner, hat sich Lopatka nicht nur in der SPÖ, sondern auch in der Opposition eine zweifelhafte Nachrede erworben. Der Grüne Peter Pilz ("Ich mag ihn!") rechnet ihm zwar hoch an, dass der Schwarze, "der die Frauen-, Bürger-, und Freiheitsrechte bis heute hochhält", im Parlament Handschlagqualität bewiesen hat, weil er die Reform für U-Ausschüsse ermöglicht hat. Aber: "Ich halte ihn für einen Sozihasser."

Neos-Boss Matthias Strolz wiederum ist derzeit auf Lopatka sauer, weil längst Gerüchte sprießen, dass der ÖVP-Klubchef auch seine Mandatare bezüglich eines Wechsels angraben soll: "Das ist ein durchsichtiges Manöver, mit dem man uns schaden will. Denn wir sind ein geschlossener Klub!" Lopatka ist und bleibt für Strolz, einst selbst parlamentarischer Mitarbeiter der ÖVP, "trotz Dackelblicks ein Meister der Intrige", der sich zu wenig mit Lösungen für das Land beschäftige.

Sonnyboy

Und noch ein Ruf hält sich in den Rängen der Opposition hartnäckig: Dass Lopatka - wenn es ihm oder der Partei nütze - mitunter gar bereit sei, politische Gegner mit Material gegen eigene Leute zu versorgen.

Andreas Khol, früher selbst ÖVP-Klubchef, will solche Geschichten nicht durchgehen lassen. "Lopatka war immer ein grader, offener Sunnyboy", versichert er. Außerdem kenne er "die Grundsätze der christlichen Soziallehre nicht nur auswendig", er könne sie, im Gegensatz zu anderen, "auch interpretieren".

Allerdings: Khol selbst war einst einer der eifrigsten Architekten von Schwarz-Blau - und die Wahrheit im Nachhinein für ihn bloß "eine Tochter der Zeit". (go, nw, 13.6.2015)