Wien - Die Ärztekammer hat am Donnerstag ihre Ablehnung des in Begutachtung befindlichen Sozialbetrugsbekämpfungs-Gesetzes bekräftigt. Vizepräsident Johannes Steinhart erklärte in einer Pressekonferenz, die geplanten Ausweiskontrollen und das "Mystery Shopping" seien "auf das Schärfste abzulehnen". Er befürchtet ein "staatliches Bespitzelungswesen" und eine Störung des Arzt-Patienten-Verhältnisses.

Mit dem Sozialbetrugsbekämpfungs-Gesetz als Teil der Gegenfinanzierung der Steuerreform soll gegen E-Card-Missbrauch in Spitälern die Identität des Patienten jedenfalls mittels Ausweiskontrolle geprüft werden. Im niedergelassenen Bereich ist die Identitätsüberprüfung dann vorzunehmen, wenn der Patient dem behandelnden Arzt nicht persönlich bekannt ist. Beim "Mystery Shopping" sollen Testpatienten von den Krankenkassen in die Ordinationen geschickt werden, um zu überprüfen, ob nicht berechtigte Krankenstände ausgestellt oder Leistungen von Ärzten abgerechnet werden, die nicht oder nicht im angegebenen Ausmaß erbracht wurden.

Kein Generalverdacht

Steinhart betonte, dass auch er für die Bekämpfung von Sozialmissbrauch sei, "aber nicht in dieser Form." Damit komme eine "befremdliche Haltung" zum Ausdruck, mit der Ärzte und Patienten unter Generalverdacht gestellt würden. Ärzte seien primär keine Kontrolleure. Das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient werde damit massiv gestört, befürchtet der Ärztekammer-Vizepräsident und Obmann der Niedergelassenen Ärzte. Offen seien auch Rechts- und Haftungsfragen, etwa was mit einem Patienten geschehen soll, den der Arzt nicht kennt und der keinen Ausweis bei sich hat.

Außerdem befürchtet Steinhart einen großen bürokratischen Mehraufwand: Würden bei jährlich 130 Millionen E-Card-Konsultationen bei nur jedem zehnten Patienten Ausweiskontrollen durchgeführt, die im Schnitt angenommene zehn Sekunden dauern, dann würde das in Summe zusätzlich 4.500 Arbeitstage für die niedergelassenen Ärzte ergeben, rechnete Steinhart vor. Und dass die sogenannten Mystery Shopper auch mit falschen E-Cards arbeiten sollen, ist für den Ärztekammer-Vizepräsidenten eine "mutwillige Täuschung" des Arztes.

Ärztekammer befürchtet längere Wartezeiten

Für den Patienten erwartet Steinhart längere Wartezeiten. Außerdem werde das Vertrauensverhältnis zum Arzt gestört. Und die Kosten würden auch deshalb steigen, weil die Ärzte aus Sorge vor falschen Diagnosen bei Mystery Shoppern zusätzliche Untersuchungen anordnen könnten. Steinhart glaubt deshalb auch, die Regierung "irrt gewaltig", wenn sie dadurch Millioneneinsparungen erwartet. Er verwies auch darauf, dass die Sozialversicherung zwischen 2008 und 2013 nach eigenen Angaben 421 Fälle mit Verdacht auf E-Card-Missbrauch untersucht habe. Dabei sei es nur in sieben Fällen zu Verurteilungen gekommen mit einem Gesamtschaden von 101.000 Euro.

Der Ärztekammer-Vizepräsident schlägt als Alternative die Anbringung eines Fotos auf der E-Card vor. Eine Abgeltung für den durch die Regierungspläne bei den Ärzte zu erwartenden Mehraufwand könne man zwar überlegen, wichtiger wäre es nach Ansicht Steinharts aber, die Bürokratie vor vornherein gar nicht erst ausufern zu lassen und stattdessen das Geld in zusätzliche Leistungen für die Patienten zu investieren. (APA, 28.5.2015)