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Die Reform soll "ein Strafrecht bringen, das den heutigen gesellschaftlichen Anforderungen gerecht wird", wünscht sch Justizminister Wolfgang Brandstetter.

Foto: APA/Hans Klaus Techt

Wien - Eine "grundsätzliche Neuorientierung des Strafrechts in Österreich" strebt Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) mit der Strafgesetzbuch-Reform an. Der Entwurf wird nun für sechs Wochen in Begutachtung gehen, das Gesetz wird voraussichtlich im Herbst im Parlament beschlossen und mit 1. Jänner 2016 in Kraft treten.

Die Reform soll "ein Strafrecht bringen, das den heutigen gesellschaftlichen Anforderungen gerecht wird", sagt Brandstetter. Der höchstpersönliche Lebensbereich der Menschen müsse stärker geschützt werden als die Beeinträchtigung von Vermögenswerten. Denn Schaden an Leib und Leben könnten "mit Geld eigentlich nicht wieder gutgemacht" werden. Hier habe sich das Wertgefüge geändert, "wir legen heute deutlich größeren Wert auf körperliche und auch sexuelle Integrität".

Neue Straftatbestände

Deshalb will Brandstetter Strafdrohungen für Sexual- und Gewaltdelikte anheben, aber auch manche Delikte - wie Cybermobbing oder Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung - neu unter Strafe stellen. Zurecht als unpräzise kritisierte Bestimmungen - zu Verhetzung oder Landfriedensbruch - sollen konkretisiert werden.

Der Entwurf basiert auf den Empfehlungen einer - bereits von seiner Vorgängerin Beatrix Karl (ÖVP) eingesetzten - Expertengruppe, geht aber in einigen Punkten auch darüber hinaus. Mit dem Koalitionspartner SPÖ ist er weitgehend akkordiert.

Schnellere Verfahren

Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) will mit der Strafrechts-Reform auch einen weiteren Schritt zur Beschleunigung von Verfahren setzen. Staatsanwälte sollen sich künftig von Anfang an auf den Hauptvorwurf konzentrieren können. Und Diversion soll auch bei Landfriedensbruch, Landesverrat oder Angriff auf oberste Staatsorgane möglich sein.

Schon bisher war es möglich, dass der Staatsanwalt bei mehreren Vergehen von der Verfolgung einzelner Straftaten absieht, wenn dies keinen Einfluss auf die Strafe hat. Dies ist aber erst nach weit gediehenen Ermittlungen kurz vor Einbringung der Anklage möglich. Brandstetter will Staatsanwälten und damit auch der Kriminalpolizei von Anfang an den Verzicht auf die aufwendige Verfolgung kleiner, nicht strafsatz-relevanter Neben-Taten erlauben.

Diversion ausgeweitet

Die Diversion - also der Verzicht auf ein Strafverfahren gegen Leistung einer Geldbuße oder Tatausgleich - will er auch für Delikte zulassen, die zwar vor einem Schöffen- oder Geschworenengericht abgehandelt würden, aber mit nicht mehr als fünf Jahren Haft bedroht sind. Das sind u.a. Gründung "staatsfeindlicher Verbindungen" oder "bewaffneter Verbindungen", Herabwürdigung des Staates und seiner Symbole, Angriff auf oberste Staatsorgane, Landesverrat, Ansammeln von Kampfmitteln, räuberischer Diebstahl - und auch Landfriedensbruch.

Die Bestimmung zum Landfriedensbruch war nach U-Haft und strengen Strafen etwa für Anti-WKR-Demo-Teilnehmer Gegenstand einiger Kritik. Sie soll konkretisiert werden: Zwar soll der Paragraf 274 mit den zwei bzw. drei (bei führender Rolle) Jahren Strafdrohung beibehalten werden für die Teilnahme an einer "Zusammenrottung einer Menschenmenge", die auf schwere Sachbeschädigung oder Gewalttaten abzielt. Aber leichte Körperverletzung soll unter diesem Titel nicht mehr strafbar sein, ebenso nicht die schwere Sachbeschädigung, wenn es nicht um für die Infrastruktur wichtige Gegenstände geht.

Erweiterung der Vergewaltigungs-Bestimmung

Auch einige neue Strafdrohungen sieht der Entwurf vor: Mit bis zu einem Jahr Haft soll Cybermobbing bestraft werden. Auf die "Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung" sollen bis zu zwei Jahre stehen - und das ist die diskutierte Erweiterung der Vergewaltigungs-Bestimmung um Beischlaf oder beischlafähnliche Handlungen ohne Einverständnis, in denen sich das Opfer sich aber aus Angst nicht widersetzt. Für "körperliche Belästigungen im Bereich der sexuellen Sphäre" - Stichwort "Pograpschen" - sollen mit bis zu sechs Monaten Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen drohen. Bis zu ein Jahr Haft bzw. Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen können das "Ausspähen von Daten eines unbaren Zahlungsmittels" - also von Bankomat- oder Kreditkarte - zum Zweck der Bereicherung oder des Fälschens einbringen.

Verhetzung, Zwangsheirat

Auch das von Brandstetter anlässlich des "Jihadisten"-Problems angekündigte schärfere Vorgehen gegen Verhetzung ist Teil der StGB-Reform. "Aufstacheln zu Hass" und "Auffordern zu Gewalt" soll schon mit bis zu zwei Jahren bestraft werden, wenn dies vor etwa 30 Menschen geschieht. Einen eigenen Tatbestand gibt es künftig zur Zwangsheirat.

Die Novelle des Paragrafen 283 Strafgesetzbuch will "dem gesteigerten Handlungsunwert im Bereich der Hassverbrechen (hate crimes)" Rechnung tragen. Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren droht nicht mehr nur für das "Auffordern zur Gewalt", sondern auch "Aufstacheln zum Hass", Beschimpfen im Sinn des "Verächtlich-Machens" in der Öffentlichkeit und neu auch die Leugnung von Völkermord oder Kriegsverbrechen - und zwar gerichtet gegen Kirchen, Religionsgemeinschaften bzw. andere Gruppen, definiert nach Kriterien der Rasse, Hautfarbe, Sprache, Weltanschauung, Staatsangehörigkeit (womit auch Ausländer und Fremde einbezogen werden), Abstammung, Herkunft, Geschlecht, Behinderung, Alter oder sexueller Neigung.

"Breite Öffentlichkeit" ab 30 Personen

Wenn diese Handlungen "einer breiten Öffentlichkeit zugänglich werden" - über Druckwerke, Rundfunk oder sonstige Weise -, wird künftig strenger, nämlich mit bis zu drei Jahren Haft, gestraft. Wobei "breite Öffentlichkeit" nicht mehr erst ab 150 Personen, sondern schon bei "vielen Menschen" - das heißt ab ca. 30 Personen - gegeben sein soll. Führt das Aufhetzen dazu, dass eine andere Person eine Gewalttat begeht, drohen dem Hetzer mindestens sechs Monate und höchstens fünf Jahre Haft. Und ausdrücklich strafbar wird auch die Veröffentlichung von Gewalt- oder Hasspropaganda in Text oder Bild. Werden sie einer "breiten Öffentlichkeit" zugänglich, drohen Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen.

Die Zwangsheirat - auch jene im Ausland - ist zwar seit 2011 rundum strafbar. Aber mit der StGB-Reform wird ein eigener Paragraf (106a) geschaffen. Auf die Nötigung zur Eheschließung (oder auch Begründung einer eingetragenen Partnerschaft) im In- oder Ausland stehen sechs Monate bis fünf Jahre.

Angehoben wird die Strafdrohung für Tierquälerei: Bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe drohen - und damit sind gewisse Ermittlungsmaßnahmen (z.B. Observation über mehr als 48 Stunden) möglich. (APA, 12.3.2015)